Jubiläumsrede

Gedanken über Lauta-Dorf zu seinem 650. Jubiläum

Das Dorf Lauta kann auf 650 Jahre Existenz zurückblicken. Eine stolze Zahl. 650 Jahre! Das ist Veränderung, Beharren, Weiterentwicklung, Aufstieg (oder Abstieg?). Das waren Lebenskampf, gespeist aus dem Willen, zu leben. Das waren Kampf gegen etwas – Naturunbilden, Ausbeutungsabsichten der Herrschaft oder gegen bewaffnete Eindringlinge. Das waren aber auch 650 Jahre Kampf für etwas – für sich, für die dörfliche oder städtische Gemeinschaft, für die Weiterentwicklung von Natur und Kommune.

Die 650 Jahre in einer nicht die Ermüdung beabsichtigenden Rede abhandeln zu wollen, ist unmöglich. Zudem: Es ist uns vieles bekannt. Aber leider sind die Lücken noch zu groß.

1374 ist Luthe, das heutige Lauta, in einem Verzeichnis erwähnt, das sich im Besitz des Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau (Oberlausitz) befindet. Luthe lag geografisch gesehen ebenfalls in der Oberlausitz. Wurde aber, weil administrativ der Herrschaft Senftenberg zugehörend, zur Niederlausitz gezählt. Ein Schicksal, das es mit Großkoschen teilte.
Bis heute ist das Problem nicht gelöst. Die Stadtteile Laubusch, Torno und Leippe sind Oberlausitz, wie auch Lauta Süd. Das Dorf Lauta und Lauta-Nord jedoch Niederlausitz.

Luthe bzw. Lauta ist das in der Geschichte der Herrschaft Senftenberg am wenigsten beschriebene Dorf. Die Dörfer westlich, nördlich und östlich vom Herrschaftssitz Senftenberg werden wesentlich ausführlicher behandelt. Wirtschaftlich und sozial sind sie bessergestellt. Es gibt Weinberge und künstlich angelegte Fischteiche sowie die Fangrechte für die Schwarze Elster und für andere in den Fluss mündende Gewässer.

Dabei verfügt Lauta über die zweitälteste Kirche der Herrschaft Senftenberg und von der Bauweise her wohl ungewöhnlichste.
Der Boden wird kärglicher, je weiter man von den Überflutungsflächen der Schwarzen Elster entfernt ist. Heide, Wald und Sand sind die bedeutendsten Schätze der Natur.
Trinkwasser liefert nur eine am südlichen Rand des Dorfes sprudelnde Quelle. Die wichtigsten Gewässer – wie der Schleichgraben oder der Bullwinkelgraben – fließen auf dem Gebiet der Herrschaft Hoyerswerda. Was muss das bei den Menschen bewirkt haben, wenn die Quelle in sehr heißen Sommern mal nicht ausreichend Wasser lieferte oder die Pflanzen auf den Feldern vertrockneten?

Es ist uns nicht bekannt. Dafür aber ein anderer Vorgang, der das Verhältnis zwischen den Dorfbewohnern von Lauta und denen der Nachbardörfer widerspiegelt.

1545 berichteten die Einwohner von Lauta dem Herzog von Sachsen, Moritz, wie sie im Kampf gegen ein in der zur Herrschaft Hoyerswerda gehörenden Heide ausgebrochenes Feuer allein gelassen wurden. Um ein Übergreifen der Flammen auf die zum Dorf gehörenden Waldungen und auf das Dorf selbst zu verhindern, mussten alle Dorfbewohner – Mann und Frau. Jung und Alt – über mehrere Wochen Tag und Nacht im Einsatz sein. Allein gelassen wurden sie in diesem Ringen auch von dem Amtmann in Senftenberg und von anderen zur Herrschaft gehörenden Dörfern.

Es ist nicht der einzige mit Akten belegte Vorgang, in dem die Dorfbewohner für ihre Rechte stritten oder Hilfe erbaten, wie z. B. 1581 zur baulichen Erneuerung des Kirchturms. Aber Recht bekamen zumeist die anderen.

In einem Fall zeigte sich der Kurfürst von Sachsen, Friedrich August, großzügig und zur Hilfe bereit. Bei einem Großbrand am 1. Mai war 1769 fast das gesamte Dorf zerstört worden. Ein Gehöft und das Pfarrhaus blieben verschont. Vermutlich auch die Kirche. Für den Wiederaufbau der Häuser stellte der Kurfürst Holz aus den Waldungen in der Umgebung Lautas zur Verfügung. Wie die Häuser aussahen, die mit pro Eigentümer genehmigten Stämme gebaut werden konnten, ist nicht bekannt.
Bei der BTU Cottbus, Fachbereich Architekturgeschichte, liegt ein Hilfeersuchen zur Rekonstruktion des Dorfes nach dem Brand von 1769.

Lauta war nicht gerade ein reiches Dorf. Auch wenn die nach dem letzten großen Brand 1847 errichteten großen Bauernhöfe anderes vermuten lassen. Hatte das seit 1815 zu Preußen gehörende Dorf großzügige staatliche Hilfe für die Neubauten erhalten oder mussten sich die Bauherren dafür lebenslang verschulden? Ein Blick in die im Familienbesitz befindlichen Bauunterlagen würden vermutlich die Antwort darauf liefern.

Profitiert hat das Dorf jedenfalls von der in seiner Umgebung abgebauten Braunkohle und von der in Verbindung damit errichteten Industriebetriebe. Der Begriff „Rucksackbauer“ kam damals auf. Die Frau und die Kinder bewirtschafteten den Hof, während der Vater in der Industrie Geld verdiente. Während der Aussaat und der Erntezeit ließ er sich beurlauben und die ganze Familie erledigte die sehr früh am Tag mit dem Füttern der Tiere beginnende und mit der Einlagerung der Ernte, Stroh bzw. Gras am Abend endenden Arbeit. Die kärglichen Einkünfte aus der Landwirtschaft besserte der Rucksackbauer mit dem in der Industrie verdienten Geld auf.

Einen sehr großen Einschnitt für die Entwicklung des Dorfes brachten ab 1917 der Bau des Lautawerks und der gleichnamigen Werkssiedlung. Die Unterbringung der für den Bau und für den Betrieb der Anlagen benötigten Arbeitskräfte brachten ungeplante Einnahmen. Fuhrwerke und Zugtiere wurden von den Baufirmen benötigt. Bestehende Handwerksbetriebe erhielten neue Kundschaft und konnten sich vergrößern. Die zunächst im Dorf ansässige Schneiderei Nejedlo und der Baubetrieb Hager stehen als Beispiele dafür. Das Dorf erhielt eine neue und größere Schule. Der Bau des gemeinsamen Gemeindeamtes in der Mitte zwischen Dorf und Werkssiedlung verwies auf gleichberechtigte Behandlung.

Die Dominanz von Werk und Gemeinde Lautawerk gegenüber dem Dorf war jedoch eine logische Folge der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung. Als Lautawerk mit dem Dorf zusammen Stadt wurde, verlor es auch die Ortsbezeichnung. Lauta, bislang nur für das Dorf gebräuchlich, wurde ab Mitte der 1960er Jahre der für Nord, Süd und das Dorf verwendete Name. Als nach 1990 noch Laubusch, Leippe und Torno hinzukamen, mussten sich auch deren Bewohner damit abfinden, unter dem Begriff „Lauta“ zu rangieren.
Eine ihrer Reaktionen: Verstärkte Beschäftigung mit der eigenen Geschichte.
Geschichtsvereine entstanden in Laubusch und Leippe-Torno. Vernachlässigte Traditionen wurden wieder entdeckt und zu neuem Leben erweckt.

Die Besinnung auf die eigene Geschichte und auf Traditionen war vor allem das Werk engagierter Menschen (Einzelpersonen). In Lauta-Nord und -Süd bezog sie sich vor allem auf die Geschichte des nach 1990 dem Erdboden gleichgemachten Aluminiumwerks und des Kraftwerks. Mit der Sanierung der ehemaligen Werkskolonie in Nord kam deren Baugeschichte hinzu. Süd blieb außen vor, wie auch die Sozialgeschichte in all ihren Bestandteilen.
Zu Jubiläen wurde mitunter etwas an der Geschichte des Jubilars gekratzt. Aber war das Jubiläum vorbei, kehrte die übliche Nichtbeschäftigung mit der Geschichte ein.

Die Stadtverwaltung nahm das nicht wahr bzw. wollte es nicht.
Dabei ist es das Schlimmste was einem Menschen oder einem sozialen Gebilde passieren kann: geschichtslos zu sein. Der Mensch braucht die Erinnerung zum Leben, wie das Wasser.

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“
(Helmut Kohl, Rede im Bundestag 1995)

Die 650. Wiederkehr der Ersterwähnung des Dorfes Lauta sollte Anlass dafür zu sein, diese Aussage zu verinnerlichen.
Das eine oder andere wurde bereits dafür getan. Viele Vorschläge und gute Ideen gelangten aber nicht zur Umsetzung. Menschen, die sich einbringen wollten, zogen sich wieder zurück. Aber nicht wenige verweigerten sich einer Rückkehr in alte Gewohnheiten. Optimismus statt Resignation. Auch wenn die Unterstützung fehlt.

Wie lange sich bei übriggebliebenen Optimisten diese Einstellung halten wird, hängt davon ab, wie sie wahrgenommen werden. Der demnächst neu gewählte Stadtrat sowie der noch einige Jahre amtierende Bürgermeister müssen sich dem stellen.
Spiele statt Anerkennung“. Das wird nicht auf Dauer gut gehen.

Nachbemerkung:
Frank Lehmann, der Bürgermeister von Lauta, hatte mich angefragt, ob ich auf der offiziellen Festveranstaltung zum Jubiläum, am 15. Mai 2024 in der Kirche von Lauta-Dorf, die Rede halten könnte.
Zunächst war ich nicht abgeneigt. Nach mehreren, nicht gerade schönen Erlebnissen, bat ich ihn jedoch, mich von der Teilnehmerliste zu streichen und auf meine Rede zu verzichten.
Ich hätte diese auch nur halten können, wenn ich sie nicht vorher hätte absegnen lassen müssen und ich mir sicher sein konnte, dass mein darin formuliertes Anliegen von der Stadtpolitik berücksichtigt worden wäre.
Ob ich meine Rede im offiziellen Rahmen auch so gehalten hätte, wie vorstehend geschrieben, bin ich mir nicht sicher. Aber so ähnlich.

Im Nachgang bin ich ganz zufrieden mit meiner Entscheidung. Auf diese Weise kam die eigentliche Jubilarin – Lauta-Dorf –  in der offiziellen Festveranstaltung nicht nur mit den Veranstaltungsorten – Kirche und Event-Scheune – vor, sondern auch mit den Hauptrednern – Pfarrer Gert Simmank und Frau Sigrid Roeser.

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