Rundgang Lauta-Nord

Einleitung

1918 wurde mit dem Bau der Siedlung Lautawerk begonnen. Es war ein anspruchsvolles Projekt. Am 2. Januar 1918 war durch den Bauträger, die von der Firma Griesheim Elektron in Frankfurt/Main geschaffene “Eigenheim Genossenschaft Lautawerk eGmbH zu Lautawerk” , ein Genehmigungsantrag für den Bau von 150 Arbeiter- und 30 Beamtenwohnungen gestellt worden. Ein Vierteljahr zuvor betrug die Zahl noch 112 Arbeiterwohnungen 30 Beamtenwohnhäuser. Am 13. Dezember 1917 lag der von dem Architekten Clemens Simon erstellte Entwurf für den I. Ausbau der Werkssiedlung Nord (sog. Kolonie) vor. Die Kosten waren mit 7,45 Mio. Mark beziffert. Es entstanden Siedlungshäuser mit einer für die die damaligen Verhältnisse Ausstattung der gehobenen Klasse – Küche, Bad, Garten und ein Stall für die Kleintierhaltung.
Eine II. Ausbaustufe in Richtung der ebenfalls neu gebauten Werkssiedlung Laubusch war vorgesehen, wurde aber aus verschiedenen Gründen nicht realisiert.

Rundgang

Plan des geplanten vollständigen Ausbaus der Werkssiedlung (bzw. Kolonie) Lautawerk. Er wurde nur in Teilen umgesetzt. Der Rundgang führt durch den realisierten Bereich und verwendet dabei die aktuellen Straßenbezeichnungen. Die historisch verwendeten Straßennamen werden zur Information mit angegeben.
Die fertig gestellte Werkssiedlung Lautawerk entstand zwischen der Weststraße im Westen, der Nordstraße im Norden, der Parkstraße im Osten und der Straße der Freundschaft im Süden. Die Senftenberger Straße ab der Kreuzung Straße der Freundschaft/Mittelstraße/Weststraße gehörte damals noch zu Lauta-Dorf. Die Mittelstraße, die Wohnsiedlung Neue Heimat an der Berliner Straße sowie die Bebauung der Lausitzer Straße erfolgte erst ab Ende der 1920er Jahre.

In der ersten Hälfte der 1920er Jahre wurden Lauta-Dorf und die Werkssiedlung Lautawerk eine einheitliche Gemeinde mit zwei Gemeindeteilen: Dorf und Lautawerk. Geführt wurde die Industriegemeinde Lautawerk durch einen Gemeindevorsteher und einen aus Einwohnern gewählten Gemeinderat.

Am Ring

Die Platzanlage mit Normaluhr. Sie stand vermutlich bis Mitte/Ende der 1950er Jahre. Vorn die Bahngleise.

Die Platzanlage “Am Ring” war Teil einer die Siedlung von Süd nach Nord querenden Achse aus drei Plätzen: Ring, Markt, Anger. Bevor die beiden anderen Plätze mit der Bebauung entstanden galt der Ring als der Marktplatz der Siedlung. Bis 1937 hieß er Plieninger– Platz, dann bis 1945 Immelmann-Platz und später Am Ring. Die Häuser wurden noch mit hochwertigen Ziegelsteinen gebaut. Bei den späteren Bauten wurde aus Kostengründen auf im eigenen Werk gefertigte Kalk-Sandstein-Ziegel zurückgegriffen.

An der Südseite des Platzes führt die Straße der Freundschaft (B 96) entlang. In der Bauzeit hieß sie Weber-Urban-Allee. Rudolf-Weber-Urban war der Baubeauftragte für die Errichtung des Lautawerks. Gegenüber dem Platz, auf der südlichen Seite der Weber-Urban-Allee, standen barackenähnliche Gebäude, in denen die Lausitzer Siedlungs-Gesellschaft mbH (LSG) und das Kaufhaus der Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft mbH “Kaufhaus Nord” (1922) ihre Geschäfts- bzw. Verkaufsräume hatten. Weiter in Richtung Südosten standen an der Straße die Tankstelle, der Fuhrpark, das Beamtencasino, das Postamt und der Hauptpförtner. Dieser war der Haupteingang zum Werk für alle in Nord wohnenden Arbeitskräfte. Der Nordpförtner in der Verlängerung der Karl-Marx-Straße wurde erst später eingerichtet.

(Kurze Straße)

Verbindungsstraße von Am Ring zur Parkstraße. Seit ihrer Entstehung kein anderer Straßenname.

Straße der Freundschaft (I)

Erste Bezeichnung Südstraße, ab 1920 bis ca. 1937 Weber-Urban-Allee, weiter bis 1945 Kurmarkallee, nach 1945 kurzzeitig Hauptstraße, bis ca. Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre Stalinallee. Mit dem endgültigen Ende der Verherrlichung Stalins Umbenennung in Straße der Freundschaft. Beim Bau der Siedlung verlief entlang der Straße ein Bahngleis für den Transport von Baumaterial – vom Bahnhof Schwarzkollm bis zur Kalksandstein-Fabrik in der Mittelstraße (ab 1954/55 ZRA – Zentrale Reparaturabteilung für die zum VEB Kraftwerke “Artur Becker” Trattendorf gehörenden Betriebe). Vermutlich wurde sie auch für den Transport von Arbeitskräften genutzt.

Wöhlerstraße

Die Wöhlerstraße verbindet die Plätze “Am Ring” und Markt. Seit 1937 heißt sie Wöhlerstraße, vorher Marktstraße.

Markt

Fischer, Theodor: Saalbau: Ost – u. Westseite (Ansichten). Transparentpapier / Feder. Imagegröße: 35,3 x 67 cm. Signatur: fis_t-160-13
Fischer, Theodor: Saalbau: Perspektive. Papier / Lichtpause. Imagegröße: 35,3 x 59,5 cm. Signatur: fis_t-160-3

Zentraler Platz der Werkssiedlung Lautawerk. Eingerahmt war er von der Bäckerei mit Verkaufsläden an der Südseite und der Fleischerei mit Verkaufsladen auf der Nordseite. An der Ostseite des Platzes sollte das Rathaus stehen und an der Westseite ein Saalbau für Veranstaltungen aller Art. Beide Projekte wurden aus Kostengründen nicht realisiert, die vorgesehene Fläche mit Wohnbauten bzw. Provisorien (Ostseite) gefüllt.
Der Gebäudekomplex der Fleischerei wurde in den 1990er Jahren abgerissen.
Weitere Informationen.

(Wendenstraße)

Die Wendenstraße trug und trägt seit Beginn diesen Namen und ist die Parallelstraße zur Wöhlerstraße sowie zur Karl-Marx-Straße. Die ersten beiden Straßen laufen an ihrem Nordende auf die Ludwig-Jahn-Straße.

(Ludwig-Jahn-Straße)

Die Friedrich-Ludwig-Jahn Straße trägt diesen Namen seit 1937, vorher Am Markt.
Das Friseurgeschäft Alfred Scholz (seit 1922, Markt) und der Lebensmittelladen von Otto Glock (seit 1922, Markt 25) ergänzten das Versorgungsangebot in diesem Gebiet. In dem auf dem Foto zu sehenden einstöckigen Haus arbeitete nach dem Krieg der Friseur Gutsche. Eine Halblang-Herrenfrisur (typische Arbeiterfrisur, weil preiswert) gab es für 70 Pfennige und einen Fasson-Schnitt für 1 DDR-Mark.

Parkstraße

Östliche Grenze der Siedlung Lautawerk. Entstand im Verlauf der nach dem Dorf Tätzschwitz führenden Straße, deshalb erster Name Tätzschwitzer Straße. Seit 1937 Parkstraße.
Die Bauern holten aus dem östlich der Straße gelegenen Moor ihren Torf. Ein mooriges schwarzes Wasser führendes Bächlein entspringt unter den Gärten westlich der Parkstraße, kommt am Ende der Bebauung kurz vor dem Park zum Vorschein, zieht sich durch den Park und mündet schließlich im Schleichgraben.

Das Moor und die an der Straße verlaufene Verwaltungsgrenze zwischen den Kreisen Calau und Hoyerswerda waren neben dem Kostenproblem die Hauptgründe, dass der geplante Ausbau der Siedlung Richtung Laubusch nicht erfolgte.
Westlich der Straße wurden Wohnbauten errichtet, am östlichen Rand entstanden neben Wohnbauten verschiedene Wohn-/Geschäftshäuser sowie Gärtnereien: Kunstgärtnerei Joseph Maischall, Tätzschwitzer Str. 29 (1922); Kolonialwarenhandlung Karl Putzke, Tätzschwitzer Str. 53 (1929). Sieben Jahre zuvor war Putzke noch angestellt als Kontorist im “Kaufhaus Nord”.

Am Anger

Seit Beginn der Erbauung der Siedlung gleicher Name für diesen Platz. Die evangelische Kirche am Nordrand ging im Dezember 1924 in Betrieb.

(Nordstraße)

Als Pistorstraße begonnen, ab 1941 Richthofenstraße und seit 1945 Nordstraße. Das auf dem Foto zu sehende Haus Nordstr. 24, die sog. Säulenvilla, wurde 1918/19 für den Direktor Weber-Urbig gebaut. 1922 wohnte darin der Direktor Hans-Gerstein.

Rosa-Luxemburg-Straße

Brüder Simon-Straße bis 1937, dann Boelckestraße, nach 1945 Rosa-Luxemburg-Straße.

(Schmuckhof)

Seit der Erstbebauung trägt die kleine Platzanlage den gleichen Namen.

Weitere Informationen.

Karl-Marx-Straße

Die Karl-Marx-Straße hieß zunächst Dionstraße (bis ca. 1937), dann Hermann-Göring-Straße, nach 1945 erhielt sie den noch heute gültigen Namen. Jacob Dion war Oberingenieur des für den Bau des Lautawerks federführenden Unternehmens Griesheim-Electron.

Conrad-Blenkle-Straße

In Nutzung gegangen als Specketerstraße, nach 1937 bis 1945 Schlieffenstraße. Seither bis heute Conrad-Blenkle-Straße

Röntgenplatz

Zunächst Mertonstraße, dann Moltkeplatz und schließlich, nach 1945, Röntgenplatz.

Theunerplatz

Begonnen mit dem Namen Zintgraffstraße, dann Roonplatz und nach dem Ende des letzten Krieges Theunerplatz. Die Kiefer auf dem Grundstück Str. der Freundschaft 27 ist eines der Überbleibsel des mit dem Bau von Siedlung und Werk gerodeten Waldes.

Friedrich-Ebert-Straße

Zunächst Kiefernallee, nach 1945 dann der heutige Name. Benannt nach dem einstigen Reichspräsidenten von der SPD, Friedrich Ebert.

Straße der Freundschaft (II)

Mittelstraße

Kreuzung an der B 96, um 1970. Quelle: Archiv Punzel

 

Die Mittelstraße gibt es mit diesem Namen seit Ende der 1920er Jahre. Um 1937 Umbenennung in Straße der SA, nach 1945 Ernst-Thälmann-Straße, seit Anfang der 1990er Jahre wieder Mittelstraße.
Entwickelte sich zusammen mit der Karl-Liebknecht-Straße zur repräsentativsten Straße der Industriegemeinde Lautawerk bzw. der späteren Stadt Lauta. Seit 1990 verliert sie die die Straße einst prägenden Gebäude, durch Abriss oder durch den Umbau von Geschäftshäusern.

Weitere Informationen.

Passauer Straße

Entstand im Zusammenhang mit dem Bau der Siedlung “Neue Heimat” und trägt seitdem diesen Namen.

Berliner Straße

Entstand im Zusammenhang mit dem Bau der Siedlung “Neue Heimat” und trägt seitdem diesen Namen. Ausnahme: 1941 bis 1945 Braunauer Straße.

Senftenberger Straße

Die Senftenberger Straße ist die älteste Straße von Lauta. Bis in die erste Hälfte der 1920er Jahre verlief sie auf dem Gebiet von Lauta-Dorf. Keine Namensveränderung seit der Erstbebauung.

Weststraße

Westliche Grenze der Werkssiedlung Lautawerk-Nord. Beginnt an der Kreuzung Mittelstr./Str. der Freundschaft/Senftenberger Str. und führt in Richtung Bauernmühle.
Seit Erstanlage und Erstbebauung keine Namensänderung.
Im Haus Weststraße 4 befand sich von 1924 bis 1958 die Dienstwohnung des Gemeindevorstehers von Lautawerk.
Weiteres wichtiges Bauwerk in der Straße das Krankenhaus. Gebaut Anfang der 1920er Jahre als Villa für den VAW-Oberingenieur Ernst Roth. 1922 Weststraße 1. 1946 Beschluss zum Umbau in ein Krankenhaus. 1969 Auflösung des Krankenhauses und Umnutzung in ein Ärztehaus.  1929 ist in der Weststraße der Heilgehilfe Bernhard Rogos zu finden. 1922 wohnte er noch in der Pistorstr. 10 (heute: Nordstr.) In dem von ihm gebauten Haus eröffnete später sein Bruder Hermann ein Schreibwarengeschäft. In die Nachbarschaft zog die Hebamme Gertrud Wenske. 1922 lautete ihre Adresse “Privatschule”, 1929 “Volksschule” und 1937 dann Weststr. 7.
Einen sozialen Aufstieg hat im Verlauf von 15 Jahren der Kaufmann Ernst Triebe genommen. 1922 wohnte er in der Barackenstadt in Süd (Baracke 20), 1929 Pappelweg 5a und im Adressbuch von 1937 ist er unter Weststraße 17 zu finden.

Nordstraße (II)

Das Haus rechts, erbaut 1918/19, wurde im Krieg zerstört, die Fläche blieb bis in die Gegenwart brach liegen. Vor wenigen Jahren begann eine Neubebauung.

Schulstraße

Erhielt ihren Namen nach der auf der Fläche zwischen Schulstraße und Karl-Marx-Straße geplanten Schule der Siedlung. Anstelle der Schule wurde dann jedoch ein Ledigenwohnheim gebaut, nach 1945 als Altersheim genutzt und heute als Seniorenwohnanlage. Blick auf den Torbogen zum Constantinplatz.

(Doktorgasse)

Von der Schulstraße links zur Karl-Marx-Straße führender unbebauter Weg zwischen dem Wohngrundstück Nordstraße und dem Gelände der heutigen Seniorenwohnanlage.

Constantinplatz

Zunächst Bismarckplatz, nach 1945 dann Constantinplatz. Östlicher der drei Wohnhöfe an der Straße der Freundschaft.

Straße der Freundschaft (III)

In den 1930er Jahren wurde die Südseite der Straße der Freundschaft, zwischen Nord-Schule und Friedrich-Ebert-Straße, mit Mehrfamilienhäusern bebaut. Das Haus in Höhe Theunerplatz wurde im Krieg zerstört, die Ruine abgerissen und die Fläche brach liegen gelassen. Gebaut wurden die Häuser von der Baufirma Friedrich Hager aus Lauta-Dorf. Zu Verwendung kamen im eigenen Betrieb hergestellte Kalksandstein-Ziegel. Auf dem Bild links der Zaun des Schulgeländes.

Schule Nord

Hinweis

Der Rundgang wurde erstellt unter Nutzung von historischen Ansichtskarten aus der Sammlung von Hans-Joachim Förster (Weißwasser, zuvor Lauta), einem Foto aus dem Nachlass von Friedrich Hager sowie von Jens Lienig (Lauta) und von Materialien aus der Sammlung der GeschichtsManufaktur Potsdam (Dr. Volker Punzel).
Eingeflossen sind Informationen aus folgenden Büchern:
Belli, Peter Josef: Das Lautawerk der Vereinigte Aluminium-Werk AG (VAW) von 1917 bis 1948…, Berlin 2012
Noack, Maximilian Claudius: Zwischen wilhelminischer Bedarfsarchitektur und moderater Moderne. Die Werkskolonien im Niederlausitzer Braunkohlenrevier, Petersberg 2016

© GeschichtsManufaktur Potsdam, 2024

Schreibe einen Kommentar

error: Content is protected !!