Dorfstraße 78. Baugeschichte und Bewohner

Der nachfolgende Beitrag entstand auf der Grundlage von Zuarbeiten von Gerd Espenhahn (vormals Hosena, jetzt Hohenbocka) und Sigfrid Strenzke (Hoyerswerda). Er stellt einen Anfang dar, das Leben in Lauta-Dorf um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu beschreiben. Gleichzeitig sollen Fotos und Text dazu anregen, im eigenen privaten Archiv nach Ergänzung zu suchen.
Etwaige Ungenauigkeiten werden nach und nach verbessert und Ergänzungen eingearbeitet. Bis sich ein stimmiges Bild rund um die Geschichte des Hauses Dorfstr. 78 und seiner Bewohner ergibt.

Die Anfänge der Postel-Familie in Lauta

Am 22. Februar 1885 heirateten standesamtlich  in Pieschen bei Dresden der Fuhrwerksbesitzer Andreas Postel (geb. 17. Juli 1861) und das Hausmädchen Wilhelmine Auguste Schumann (geb. 7. Februar 1861). Die kirchliche Trauung in der Ev.-Luth. St. Markus-Kirche Pieschen folgte am 14. Juni 1885.

Rund zwölf Jahre später wohnte das Ehepaar in Lauta, im eigenen Haus in der Dorfstraße 78. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie sechs Kinder:
Max Andreas Postel (*22. September 1885, Pieschen),
Hans-Georg Postel (*20. April 1887, Pieschen),
Margarethe Wilhelmine Postel (*26. Juli 1890, Briesnitz),
Anna Marie Postel (*23. Juni 1892, Briesnitz),
Johannes Andreas Postel (*unbekannt, Geburtsort unbekannt)
und Ella Postel (*1. August 1894, Truppen).

Das Ehepaar Postel zog mit seinen sechs Kindern nach 1894 nach Lauta. Sie wohnten vermutlich zunächst in dem Haus Dorfstr. 43. Ein eigenes Haus (Dorfstr. 78), so heute lebende Mitglieder der Familie, bauten sie zwischen 1904 und 1906.

Ab 1897 kamen weitere vier, in Lauta geborene Kinder hinzu, wofür Wilhelmine 1906 das Mutterverdienstkreuz an einer langen goldenen Kette erhielt:
Litti Postel (*28. Januar 1897, Lauta),
Gertrud Postel (*4. Februar 1900, Lauta),
Sohn (*23. Mai 1904, gest. 23. Mai 1904),
und Kurt Ernst Postel (*23. Mai 1906, Lauta).

Andreas Postel hatte vermutlich in der Sandwäsche unterhalb des Koschenbergs gearbeitet. Was wohl der Grund für den Umzug den Familie von Truppen bei Neschwitz nach Lauta war. Die Versorgung des Hauses mit Trinkwasser erfolgte über Hausbrunnen.

Das Haus der Familie Postel, Dorfstr. 78, ca. 1912.
Rekonstruktion eines Hausbrunnens. Angefertigt von Gerd Espenhahn, Hohenbocka.

Die Postel-Kinder in der Schule

Alle Kinder der Familie Postel gingen in die kleine Lautaer Dorfschule. Die Jüngsten wurden in der Kirche des Dorfes konfirmiert.

Erhalten geblieben aus dieser Zeit sind Schulfotos und -zeugnisse.

Margarete Postel (7), Anna Postel (16) und Ella Postel (17). Aufnahme vermutl. von 1904.
Karl Sieber (15), Litti Postel (30). Aufnahme vermutl. von 1904.
Schulentlassungszeugnis von Anna Postel vom 7. April 1906. Nach acht Jahren Besuch der Dorfschule Lauta.

Bereits 1827 waren die Kinder der Dorfschule in zwei Altersgruppen aufgeteilt worden, um in dem kleinen Schulhaus ausreichend Platz zu finden. Der Lehrer auf den beiden oberen Fotos war Ernst Platta, zugleich auch Kantor im Dorf.

Alle Postel-Kinder haben sich unter Berücksichtigung der schwierigen Einkommensverhältnisse und der vielen Kinder eine sehr solide Existenz aufgebaut und stabile Ehen geführt. Sie haben bei den Eltern Andreas und Wilhelmine arbeiten gelernt, die Mädchen waren in der Stadt als Haus-Gehilfinnen tätig, in Stellung.”

Fünf Kinder der Familie Postel heirateten in der Lautaer Kirche.:
Max Andreas Postel am 17. März 1912 Clara Alwine Richter,
Margarethe Wilhelmine Postel am 10. Dezember 1911 Leopold Josef Nejedlo,
Anna Marie Postel am 9. Mai 1914 Josef Rudolf Nemezcek bzw. am 1. September 1923 Karl-Otto Espenhahn,
Ella Postel am 28. Juni 1919 Karl Sieber,
und Gertrud Postel am 14. August 1921 Max Beck.

Das Einwohnerbuch von Lauta-Dorf aus dem Jahr 1922 verzeichnet:
Postel, Andreas, Dorfstr. 78
Postel, Kurt, Dorfstr. 78
Postel, Max, Dorfstr. 74a
Nejedlo, Leopold, Schneidermeister, Dorfstr. 78
Nemeczek, Anna, Witwe, Dorfstr. 78
Sieber, Karl, Maschinist, Dorfstr. 90.

1925 leben in Lauta-Dorf laut Einwohnerverzeichnis:
Postel, Andreas, Maschinist, Dorfstr. 78
Espenhahn, Karl, Schrankenwärter, Dorfstr. 78
Postel, Max, Maschinist, Dorfstr. 74a
Sieber, Karl, Telephonist u. Landwirt, Dorfstr. 90.

1929 finden wir in Lauta-Dorf:
Postel, Wilhelmine, Dorfstr. 78
Beck, Max, Lokführer, Dorfstr. 78
Postel, Max, Maschinist, Dorfstr. 74a
Sieber, Karl, Telephonist u. Landwirt, Dorfstr. 90.

1937 sind in Lauta-Dorf verzeichnet:
Postel, Wilhelmine, Dorfstr. 78
Postel, Klara, Witwe, Witwe, Dorfstr. 74a
Sieber, Karl, Maschinist, Dorfstr. 90.

In Lautawerk finden wir 1937:
Postel, Kurt, Arbeiter, Am Anger 10.

1941 teilt das Adressbuch für Lauta-Dorf mit:
Postel, Wilhelmine, Witwe, Dorfstr. 78
Postel, Klara, Witwe, Dorfstr. 74a.
Beck, Max, Lokführer, Dorfstr. 76
Sieber, Karl, Maschinist, Dorfstr. 90.

In Lautawerk finden wir:
Postel, Hedwig, Witwe, Am Anger 10
Postel, Helmut, kaufmännischer Angestellter, Senftenberger Str. 2.

Andreas Postel verstarb am 16. Dezember 1927 und seine Ehefrau Wilhelmine am 14. November 1947. Sigfrid Strenzke hatte seine Urgroßmutter noch kennenlernen können.

Sie kleidete sich immer wie eine sorbische Landfrau und war damals schon über 80 Jahre alt. Sie kam mit dem Postauto oder wurde mit dem Handwagen vom ca. 4 km entfernten Lauta-Dorf geholt. Ein Auto hatte zu dieser Zeit niemand im Privatbesitz. Einige, vorwiegend 3-rädrige Lieferwagen und Motorräder mit Beiwagen waren im Einsatz. Nach 1945 kamen dann ausgemusterte Armeefahrzeuge dazu.
Meine Urgroßmutter starb im Alter von 86 Jahren. Sie hatte sich beim Zuckerrüben-Putzen mit dem kalten Wasser, wie gesagt wurde, erkältet. Sie lag aufgebahrt in ihrer Wohnstube. Nach dem Sterbesegen des Pfarrers wurde der Sarg geschlossen und draußen stand der schwarze Leichenwagen des Dorfes mit zwei Rappen davor. Ab ging es von der Dorfstr. 78 im langen Trauerzug mit Trauergesängen und Kirchenfahnen über das großflächige Granitpflaster zu dem abgelegenen Friedhof. Ich dachte damals immer, wie muss es wohl bei der Rüttelei  in dem Sarg der Urgroßmutter aussehen. Es war für mich als knapp Zehnjähriger meine erste Beerdigung, die ich im Verwandtenkreis mitgemacht hatte.”

Wilhemines Tochter Gertrud wohnte mit ihrem Ehemann, Max Beck, bis zu ihrem Tode im Haus der Eltern. Max Beck verstarb am 24. Oktober 1945 im sowjetischen Kriegsgefangenenlager Wolska an der Wolga, Gertrud Beck am 21. Januar 1984.

Leopold Josef Nejedlo, ein böhmischer Schneider in Lauta

Vor 1910 kam Leopold Josef Nejedlo auf Wanderschaft zusammen mit zwei anderen Schneidern in die Lausitz. Sein Kollege Pavlik ließ sich in Hosena nieder und Ücker im späteren Lautawerk-Süd.

Am 23. Mai 1881 war er in Böhmen, in Peleschan im Kreis Turnau des Bezirkes Jungbunzlau, als Sohn des Waldhegers Johann Nejedly und dessen Frau Anna, geb. Mastny, geboren worden. Seine Eltern waren katholischen Glaubens. Leopold hatte einen Bruder, Jaroslav, und eine Schwester, Maria.

Karte mit der Kreiseinteilung des Königreichs Böhmen, nach 1847.
Bezirk Jungbunzlau, heute Mlada Boleslav.

Als Untertan des österreichischen Kaisers leistete er von Februar 1903 bis Juli 1905 beim k.u.k-Feldjägerbataillon Nr. 23 seinen Wehrdienst ab. Das Bataillon war in Pancsova stationiert und bestand zu 68 % aus Rumänen, 28 % Ungarn und 4 % Sonstigen. Leopold Nejedlo gehörte wohl zu den Sonstigen. Wie er auf einem Musterungsbescheid beim k.u.k.-General-Konsulat in Berlin aus dem Jahr 1916 angab (siehe Bild weiter unten), beherrschte er vier Sprachen: böhmisch, deutsch, polnisch, rumänisch.

Feldjäger in Marschuniform.

Nejedlo lernte in Hosena die Tochter des dortigen Schuhmachermeisters Gustav Beier und dessen Ehefrau Auguste kennen. Am 28. März 1910 heiratete er Pauline Anna Agnes Beier (*23. September 1887, Hosena). Die Ehe währte nur kurz. Bereits im ersten Halbjahr 1911 war Nejedlo Witwer.

Die Trauerzeit fiel kurz aus. Nejedlos Blick war auf Wilhelmine Margarethe Postel aus Lauta gefallen. Als klar war, dass sie sich in anderen Umständen befand, wurde beider Hochzeit vorbereitet. Doch der Weg dahin war beschwerlich.

Da die Braut in Sachsen geboren und somit Untertanin des sächsischen Königs war, musste die Sächsische Kreishauptmannschaft Dresden der Hochzeit zustimmen. Das war am 31. August 1911 der Fall.

Mit Beglaubigung der Königlichen Regierung Frankfurt/Oder vom 21. Oktober 1911 stellte Lautas Dorfvorsteher August Scheack, Dorfstr. 3, den Ledigenschein für die Braut aus.

Ledigenschein für Margarethe Postel vor ihrer Heirat mit Leopold Nejedlo.

Am 13. November 1911 erteilte auch der Bezirkshauptmann von Turnov (Böhmen) als Vertreter des österreichischen Kaisers dessen Untertanen, Leopold Nejedlo, seine Zustimmung zur Eheschließung.

Diese erfolgte am 10. Dezember 1911 in der Kirche von Lauta. Leopold war da 30 Jahre alt und seine Braut 21. Vom 1. Oktober 1907 bis zum 1. April 1911 war sie als Dienstmädchen in Stellung, bei drei verschiedenen Fabrikbesitzer-Haushalten in Cottbus.

Leopold Nejedlo.
Margarethe Nejedlo.

Am 4. Mai 1912 kam in Lauta ihr gemeinsamer Sohn Gerhard zur Welt. Am 9. September 1941 fiel er in der Sowjetunion. Die Tochter Erna Margarethe Nejedlo kam am 1. Oktober 1913 in Lauta zur Welt, sie verstarb am 6. August 1927 in Senftenberg an Diphterie. Ein Luftröhrenschnitt konnte sie nicht retten. Hildegard Ella Nejedlo (*8. Oktober 1914, Lauta) verstarb am 4. Juni 2006 in Hoyerswerda.

Erna, Gerhard und Hildegard Nejedlo. (v. l. n.r.)

Das Ehepaar Nejedlo betrieb im Dorf eine Schneiderei. Am 1. Weltkrieg musste Leopold nicht teilnehmen. Die KuK-Vertretungsbehörde in Berlin hatte ihn am 23. August 1916 zum Landsturmdienst mit der Waffe für untauglich erklärt.

Mit dem Ende der österreichischen Monarchie und der Bildung der Tschechoslowakei 1918 war Leopold Nejedlo zunächst staatenlos. Der von ihm im Juni 1932 beim Landrat in Calau gestellte Einbürgerungsantrag für Deutschland wurde im Oktober 1933 vom Regierungspräsidenten Frankfurt/Oder im Oktober 1934 abgelehnt. Adolf Hitler, der diesen Antrag im Freistaat Braunschweig gestellt hatte, hielt am 25. Februar 1932 den positiven Bescheid in seinen Händen.
Am 17. Februar 1934 erhielt Nejedlo vom Generalkonsulat der Tschechoslowakischen Republik in Dresden eine Bescheinigung über die tschechische Staatsbürgerschaft.

Mit dem Bau des Lautawerkes und der Beamtensiedlung nördlich des Werkes verlegte das Ehepaar Nejedlo um 1920/21 seinen Lebens- und Tätigkeitsmittelpunkt dorthin. An der Senftenberger Straße östlich von Cafè Schöne, gegenüber der Waldklause und westlich des Geschäftshauses Förster erwarben die Nejedlos im Wald ein ca. 2000 qm großes Grundstück und errichteten darauf ein Wohn- und Geschäftshaus.

1925 lautete die Adresse:
Nejedlo, Leopold, Schneidermeister, An der Waldklause, Lauta (Dorf).

Bauen ließen sie es von der ebenfalls zunächst im Dorf ansässigen Firma Friedrich (Fritz) Hager, Dorfstr. 73. 1922 war er als Maurer im Adressverzeichnis eingetragen. Ab 1923 trat er als Architekt und Maurermeister mit einer eigenen Firma auf. Hatte er jemals ein Architekturstudium absolviert oder vor der Handwerkskammer eine Meisterprüfung ablegen müssen?
Was die Meisterprüfung anbelangt, stellt sich diese Frage auch bei Leopold Nejedlo. Oder nahmen die Behörden der Weimarer Republik das nicht so genau?

Wohn-/Geschäftshaus Nejedlo vor 1925.
Blick in die Werkstatt.

Die Qualität des Hauses war, wie wir später feststellen konnten, entsprechend der Wirtschaftssituation des Landes, mehr als billig. An Zement wurde sehr gespart. Nach ihnen baute der Bäcker Otto Schöne eine Bäckerei mit Café und kleinem Saal.
Zuerst war die Schneiderei im oberen Stockwerk auf der östlichen Seite des Hauses untergebracht. Westlich des Hauses ließ Leopold ließ um 1927 einen Anbau anbringen. Es existiert ein Foto der vorherigen Schneiderwerkstatt im Obergeschoss des Hauses, auf dem Leopold und die drei Kinder, Gerhard, Erna und Hildegard, zu sehen sind.
Unten war der Ladenraum mit Schaufenster und Zugang von der Straße, dahinter ein gleich großer Raum für die Schneiderei mit großen Schneidertischen, einer Nähmaschine und einem Ofen mit einer Art Backröhre, in dem die schweren Bügeleisen angeheizt wurden. Im Obergeschoß befanden sich im Anbau zwei Schlafräume für die Eltern und die Kinder sowie eine Kammer.
Rechtwinklig zum Wohn-/Geschäftshaus standen im Garten ein Waschhaus-/Stallgebäude sowie ein an  das Nachbargrundstück grenzender Holzschuppen mit massivem Hühnerstall und Heuboden.
Sieben große Bäume mit Süßkirschen sowie einige Halbstämme und Büsche mit Sauerkirschen standen im Garten. Ein ausladender Graubirnenbaum  und zwei Hochstämme mit Edelbirnen mussten den Sommer über gepflückt werden.”

Neben dem Garten unterhielten Schneidermeister Nejedlo und seine Frau eine kleine Viehwirtschaft. Ein Schwein, zwei Ziegen, 10 bis 12 Gänse mit den Zuchtgänsen, 10 bis 15 Hühner, zeitweilig zwei Kaninchen für einige Jahre auch ein Taubenpaar mit Jungvögeln machten nicht gerade wenig Arbeit.

1929 lautete die Adresse:
Nejedlo, Leopold, Schneidermeister, Senftenberger Str., Lautawerk.

Trotz der Probleme, die Leopold Nejedlo mit seiner Staatsbürgerschaft und der Einbürgerung hatte, kam er weitgehend unbehelligt durch die Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft. Vielleicht half ihm, dass er die größte Schneiderwerkstatt in Lautawerk besaß. Zivilkleidung war gefragt, die verschiedenen Formationen der Nationalsozialisten hatten aber auch einen großen Bedarf an Uniformen jeglicher Art. Und die Nachfrage konnte der Schneidermeister befriedigen. So warb er für sich und sein Geschäft 1936 im Heimatbuch des Kreises Calau.


1937 ist er zu finden unter:
Nejedlo, Leopold, Schneidermeister, Senftenberger Str. 4, Lautawerk.

Wohn-/Geschäftshaus Nejedlo, um 1940.

Am 7. Dezember 1935 heirateten ihre Tochter Hildegard und der Sparkassenangestellte Herbert Fritz Wilhelm Strenzke in Lautawerk und wurden einen Tag später in der Kirche in Lauta-Dorf getraut. Herbert hatte Hilde während seiner Tätigkeit bei der Sparkasse in Lautawerk kennengelernt.

Silberhochzeit von Margarethe (vorn) und Leopold Nejedlo (r.) am 10.12.1936. Ihr Sohn Gerhard (l.) und Tochter Hildegard mit Ehemann Herbert Strenzke.

Sie wohnten zunächst in Großräschen, später in Sedlitz. Am 24. Dezember 1937 kam in Sedlitz ihr Sohn Sigfrid zur Welt. Die Großeltern besuchten den Enkel in Sedlitz, die Mutter fuhr mit dem Fahrrad immer wieder mal über Sorno – Skado – Geierswalde – Tätzschwitz – Bauernmühle nach Lautawerk. Als Herbert Strenzke als Zahlmeister zur Wehrmacht musste, waren Mutter und Sohn öfters bei den Eltern und Großeltern, “wo Mutter im Haushalt und bei der Viehzucht half“.

1941 lautete die Adresse der Großeltern in Lautawerk
Nejedlo, Leopold, Schneidermeister, Senftenberger Str. 4.

Oma Margarethe Nejedlo, Sigfrid und Mutter Hildegard Strenzke, Uroma Wilhelmine Postel (1939).

1945, vor dem Einzug der Russen, haben die Großeltern Wein, Rohkaffee, Sekt und Schnaps im Garten vergraben. Damit konnte später so manches eingetauscht werden.”

Am 6. Januar 1943 kam Enkel Manfred im Haus der Großeltern zur Welt. Lautawerks Hebamme, Frau Wenske, half ihm dabei. Während ihrer Aufenthalte in Lautawerk mussten beide Jungen auch die Bombardierungen von Werk und Ort miterleben.

Gegenüber dem Krankenhaus auf der Wiese in Lautawerk-Nord waren Flakstellungen errichtet. Wenn es Alarm gab, nahm mich unser Geselle aufs Fahrrad und wir fuhren zu Petschkes Mühle Richtung Vogelhain (Bezeichnung für Tätzschwitz von 1937 bis 1945). Sie hatten einen Bunker am Feldrand errichtet, wo wir den Angriff abwarteten.”

Es gab aber auch Situationen, in denen die Flucht vor den Bomben nicht möglich war. Dann musste im Keller des Hauses auf das Ende des Angriffes gewartet werden.

Einmal waren wir bereits wieder im Obergeschoss um zu schauen, was Richtung Werk los war, da begann plötzlich 1 km von uns ein höllischer Bombenangriff. Am nächsten Tag war dann unsere Turnhalle gesperrt, da dort die vielen geborgenen Toten aufgebahrt waren. Auch an die bis Lautawerk am Himmel sichtbare Erleuchtung von dem brennenden Dresden kann ich mich noch erinnern.”

Sigfrid Strenzke kann sich noch heute an die langen Trecks mit Wagen und Fahrrädern erinnern, die am Haus der Großeltern vorbei Richtung Westen zogen. Auch seine Mutter entschloss sich mit ihren Kindern zur Flucht. Der Großbauer Platta nahm sie im April 1945 auf einem überdachten Treckergespann mit. Leopold Nejedlo war mit seiner Frau in Richtung Erzgebirge geflüchtet. Die Flucht von Sigfrids Mutter endete in Schwarzheide, die seiner Großeltern in Annaberg-Buchholz-

Wir fanden Unterkunft in der Bauernmühle und dann beim Nachbar Förster, wo wir beinahe von einem Russen erschossen wurden, da die alte Frau Förster zwei 31-jährige Frauen (Hilde und Friedel) versteckt hatte. Meine Großeltern kamen von der Flucht erst zu Pfingsten zurück.”

Herbert Strenzke kehrte aus dem Krieg nicht zurück. Seine Söhne, Sigfrid und Manfred, blieben mit der Mutter bei den Großeltern. Sie gingen in die Karl-Marx-Schule in Lautawerk-Nord. Neben Schule und späterer beruflicher Ausbildung halfen sie Leopold Nejedlo, Vieh, Garten und Acker zu versorgen bzw. zu bewirtschaften. Mit fast 70 Jahren musste er Frau, Tochter und die Enkel als Alleinverdiener finanziell absichern.

In der Festschrift zur 500-Jahrfeier von Lauta 1948 ist Nejedlo mit einer Geschäftsanzeige nicht enthalten. Das konnte verschiedene Gründe haben. Vielleicht hatte er sich auch ganz bewusst eine Zeit des Nachdenkens auferlegt. Wir wissen nicht, wie er das selbst sah.

Am 27. September 1957 starb Leopold Josef Nejedlo in Lautawerk. Seine Frau und die Tochter führten Haus und Geschäft in der Senftenberger Str. 4 weiter. Bis September 1961 wohnte Sigfrid Strenzke bei ihnen und unterstützte beide finanziell im Rahmen seiner Möglichkeiten.

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