Barackenstadt Lautawerk-Süd

Vorbemerkungen

Ausgangspunkt für die Entstehung und Kern der Entwicklung von Lautawerk-Süd war die Barackenstadt vor dem Südpförtner. Geplant war eine Wohnsiedlung südlich des Lautawerks offiziell nicht. Vermutlich sollte es zunächst bei einer zeitweiligen Unterbringung von Arbeitskräften in Holzbaracken bleiben, zu denen dann gemauerte Gebäude kamen.
Der Zuzug nach Lautawerk und der Wunsch, sich dort dauerhaft niederlassen zu können, erreichte in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre offensichtlich einen solchen Umfang, dass die Gemeindeverwaltung gemeinsam mit der Werksführung daran ging, die Erweiterung Lautas in Richtung Süden und Westen zu planen und den privaten Hausbau zu unterstützen.
Wichtigste Quellen, um die Geschichte der Barackenstadt Lautawerk-Süd und die Entwicklung des Ortsteiles Lauta-Süd beschreiben zu können, sind bislang das Buch „Stadt. Lauta. Dor. Vom Heidedorf zur Industriestadt. Einrückblick“ von 1997, das sehr fundierte Buch zur Geschichte des Lautawerkes von Peter Josef Belli (2012), von verschiedenen Sammlern zusammengetragene Ansichtskarten und die zwischen 1922 und 1941 veröffentlichten Adressbücher.
Noch nicht erfasst und ausgewertet wurden die Unterlagen im Privatbesitz der vormaligen und heutigen Hauseigentümer.
Vielleicht gelingt es, diese Lücke bis zum Stadtjubiläum 2024 zu schließen.
Hier nun wird ein erster Versuch unternommen, der Geschichte der Barackenstadt nachzuspüren.

Die Anfänge

Beim Bau des neuen Werks … kam eine heute kaum mehr vorstellbare Zahl von Bauhandwerkern, Fuhrleuten, Hilfskräften, Militärinternierten, Kriegs- und Zivilgefangenen zum Einsatz; auch Frauen wurden eingesetzt. Unter den Gefangenen waren Briten Franzosen und Russen. Weiter sollen Italiener sowie 400 zwangsrekrutierte Belgier aus den besetzten belgischen Grenzgebieten hier gearbeitet haben. Genaue Arbeiterzahlen lassen sich indessen nicht mehr feststellen; die überlieferten Angaben weichen ganz erheblich voneinander ab.“ 1Belli, Peter Josef: Das Lautawerk der Vereinigte Aluminiumwerk-Werke AG (VAW) von 1917 bis 1948. Ein Rüstungsbetrieb in regionalen, nationalen, internationalen und politischen Kontexten (zugleich ein Beitrag zur Industriegeschichte der Niederlausitz), Berlin 2012, S. 71

Aus den ihm zugänglich gewordenen Unterlagen ermittelte der Historiker Peter Josef Belli für sein umfassendes Buch über das Lautawerk eine Zahl von 17.000 Arbeitskräften, die beim Bau ab Ende März 1917 zum Einsatz kamen. Für die Unterbringung der einheimischen Arbeitskräfte wurden zunächst die Säle aller in der Umgebung befindlichen Gasthäuser genutzt: Lauta-Dorf, Laubusch, Tätzschwitz, Schwarzkollm, Klein-Neida und Hoyerswerda. 830 Arbeiterschlafstellen kamen so zusammen. 2Ebenda, S. 74

Im Sommer 1917 begann der Aufbau einer „Barackenstadt“ südlich und südwestlich des Werksgeländes. Es wurden 14 einstöckige massive Unterkunftsbaracken und acht zweistöckige Häuser gebaut. Sie sollten später als Familienwohnungen dienen.

Die Errichtung dieser Ziegelgebäude dauerte indessen zu lange, um zeitnah angemessene Unterkünfte in großer Zahl verfügbar zu machen, und so ging man dazu über, genormte Holzbaracken des preußischen Kriegsministeriums (sog. KM-Baracken) mit je 80 Schlafplätzen aufzustellen, wofür Unternehmer aus der Umgebung gewonnen werden konnten. Insgesamt entstanden über 100 solcher Baracken. ´Von diesen wurde ein grösserer Teil als Gefangenenlager mit einem besonderen Zaun umgeben und darin die …Kriegs- und Zivilgefangenen untergebracht.` Für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefangenenlager in der sog. Barackenstadt wurde zum 1. Mai 1918 Major N. N. Stoeckel eingestellt. 3Ebenda, S. 74 f.

Die aus Holz gebaute Baracke Nr. 80 war 1922 nicht belegt. 1925 mussten sich 20 darin wohnende Personen den Platz teilen. Das Foto könnte um 1925 entstanden sein.

Die Barackenstadt war unterteilt in einen zivilen Teil und in einen Teil, in dem die Kriegsgefangenen untergebracht waren. Ankommende Arbeiter mussten sich bei dem von der Bauleitung – mit Genehmigung der Kreisverwaltung Calau – eingerichteten Meldeamt, der Lebensmittelkartenausgabestelle und dem Arbeitsbeschaffungsamt melden. Das Wohlfahrtsamt, gemeint ist die Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft mbH, händigte ihnen „Ausweise für Schlafplätze in der Umgebung oder in der Barackensiedlung aus„. Für diese Einrichtungen standen drei Holzbaracken zur Verfügung, zu der eine größere Steinbaracke hinzukam. 4Vgl. ebenda, S. 77 f.

Die Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft mbH war ebenfalls zuständig für die Verpflegung der riesigen Baubelegschaft. Das so genannte „Arbeiterkasino“ in der Barackenstadt „erhielt Kochgelegenheiten für Tausende Portionen„. Für die Versorgung der Angestellten und Meister sowie darüber gestellte Personen gab es das Beamtenkasino im nördöstlichen Teil des Bauplatzes. Hinzu kam ein großes Wohlfahrtsgebäude mittig des Bauplatzes, das mit Dusch- und Waschräumen, einer großen Küche und zwei Speisesälen ausgestattet war.5Vgl. ebenda, S. 85
Baracken, Wohlfahrtseinrichtungen, Wasch- und Baderäume sowie Ärztestation wurden 1917 und 1918 gebaut.

Während die Errichtung der Fabrikationsanlagen des Lautawerks in vollem Gange war, war Griesheim als bauverantwortliches Unternehmen an die Planung der Werkssiedlung Nord herangegangen, denn die Unterbringung der gesamten erforderlichen Stammbelegschaft in der sog. Barackenstadt im Süden des Werksgeländes konnte keinesfalls den Charakter einer Dauerlösung haben. Nach Umbauarbeiten sollten in ´Süd` zwar die Arbeiter möglichst komplett untergebracht werden, doch fehlte Wohnraum für Direktoren, Angestellte und Meister.6Ebenda, S. 91

Den möglichen Bau von Werkssiedlungen hatte das Deutsche Reich bei der Planung des Vorhabens nicht in die Kalkulation einbezogen. So dass diesbezüglich nachgebessert werden musste. Was nicht ganz einfach war, da dafür zunächst eine Ansiedlungsgenehmigung beantragt und erteilt werden musste. Diese wurde dann für die Werkssiedlung Nord erteilt, die in der Provinz Brandenburg lag. Für die Siedlung Süd musste das Genehmigungsverfahren durch die Provinz Niederschlesien erfolgen. Erde 1918 waren in Nord die ersten Wohngebäude bezugsfertig. Für Süd gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine Pläne. Zunächst musste entschieden werden, was mit den vielen Baracken geschehen sollte. 7Vgl. ebenda, S. 94 f. Belli beschreibt die Verwaltungszugehörigkeit der beiden Siedlungen anders herum.

In der Siedlung Süd gab es ein Gebäude, in dem die Gottesdienste für beide Konfessionen abgehalten wurden. Mit der Fertigstellung der evangelischen Kirche 1924 und der katholischen Kirche 1925, beide in Nord, wurde es nicht mehr benötigt. Die erste Schule von Lautawerk befand sich zunächst ebenfalls in Süd.

Der erste Unterricht für die wenigen Kinder aller Altersstufen erfolgte in der Siedlung Süd in einem Raum des Steingebäudes Ecke Krankenhausstraße/Ecke Puschkinallee [damals noch Südallee]. Die Schüler aus der Siedlung Nord wurden auf ihrem beschwerlichen Schulweg über den Bauplatz von Wachleuten begleitet.8Stadt Lautawerk. Vom Heidedorf zur Industriestadt. Ein Rückblick, Bautzen 1997, S. 39

In der Werkssiedlung Süd befand sich auch das erste Krankenhaus Lautawerks. Die Einweihung des für dafür damalige Verhältnisse modernen Baus mit Operationssaal und Krankenstation erfolgte im Herbst 1918. In einem Anbau des Krankenhauses befand sich das Desinfektionsgebäude. Alle Neuankömmlinge mussten dort durch. Ihnen wurden die Haare geschnitten, der Körper einer gründlichen Reinigung unterzogen und „ihre Sachen in einem sehr großen stabilen Desinfektionskessel von allem Ungeziefer gereinigt„. Später wurde ein Teil dieses Gebäudes vom Krankenhaus als Seuchenstation genutzt.9Vgl. Belli, Peter-Josef, a. a. O., S. 96

Am 17. Mai 1919 richtete ein Dr. Sander bzw. Sandner an den Kreisarzt des Kreises Calau, Dr. Kiesow, ein Bittschreiben das Krankenhaus betreffend:

Das Krankenhaus Lautawerk bittet um die Berechtigung, Medizinalpraktikanten anstellen zu dürfen.
Unser Krankenhaus ist ein allgemeines Krankenhaus. Es kommen sowohl innere wie äussere Krankheiten, als auch Frauenleiden und Geburtshilfe vor. Das Krankenhaus hat mit Leichtkrankenabteilung 200 Betten. Es ist mit allen modernen Hilfsmitteln, wie Röntgenapparat, Operationssaal und Spezialuntersuchungsinstrumenten, wie Rektoskop, Cystoskop usw. ausgestattet und besitzt ausserdem ein eigenes Untersuchungslaboratorium. Bei der grossen Arbeiteranzahl des hiesigen Werkes – es werden zur Zeit 8000-9000 Leute ohne Familienangehörige beschäftigt – ist ein solch reichhaltiges Krankenmaterial vorhanden, dass m. E. für einen jungen Arzt reichlich Gelegenheit vorhanden ist, sich weiter zu bilden. Ich bitte Sie daher ergebenst meinen Antrag an zuständiger Stelle zu unterstützen resp. an dieselbe weiter zu leiten.“ 10BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573

Eine ausführliche Beschreibung des künftigen Krankenhaus-Gebäudes gibt es aus dem „Baubüro Werk Elektron“ in Frankfurt/Main vom 13. Oktober 1919. Sie war erforderlich geworden, weil ein am 13. Mai 1919 an den regierungspräsidenten in Frankfurt/Oder gerichtetes Schreiben dort irrtümlich verstanden worden war. Eine erste Richtigstellung vom 10. Oktober 1919 schien den VAW-Leuten nicht ausreichend gewesen zu sein, weshalb sie wenige Tage später diese Baubeschreibung nachschoben.

Die Grundmauern werden in Zement, das aufgehende Mauerwerk in Ziegelsteinen mit Weisskalkmörtel hergestellt. Zum Schutze gegen aufsteigende Feuchtigkeit erhalten die Mauern des Gebäudes eine waagerechte Asphaltisolierung.
Da in dem Krankenhaus ein Keller nur unter den Küchen – mit Bezug auf die Dringlichkeit des Baues – ausgeführt werden kann, sind die Krankenräume, welche im Ergeschoss liegen, mit besonderer Sorgfalt gegen aufsteigende Feuchtigkeit ausgeführt. Es wird in den Räumen ein 30 cm starker Zementfussboden hergestellt, hierauf eine zweimalige wasserdichte Asphaltpappisolierung, hierauf ein 10 cm starker Betonfussboden und dann ein fugenloser Sanitasfussboden. – Die unterkellerten Räume werden gefugt und geweisst. Die Kellertreppen massiv mit Mauersteinen ausgeführt. Die Kellerdecke in Zementbeton zwischen T-Trägern. Sämtliche Fussböden, ausser im Operations- und Sterilisationsraum, werden mit Sanitasfussböden ausgeführt, während in den beiden vorgenannten Räumen Fliesen-Fussboden hergestellt und die Wände 1,80 mit weissen erstklassigen Glasurplatten verkleidet werden. Sämtliche Krankenräume und Korridore erhalten eine Fussbodenkehle ebenfalls aus Sanitas, um ein Einnisten von Ungeziefer und Schmutz auf alle Fälle zu vermeiden. Sämtliche Wandflächen im Erdgeschoss sind mit Weisskalkmörtel geputzt vorgesehen. In den Krankenzimmern, Korridoren und Küchen ist ein ca. 1,80 m hohes abwaschbares Oelpaneel vorgesehen. Die Aussenansichten des Gebäudes werden mit ausgesuchten Mauersteien hergestellt und gefugt. Die Decken werden in Kalkmörtel und Holzkonstruktion ausgeführt und mit weisser Leimfarbe gestrichen. Im Röntgenzimmer werden Decken und Wände mit abwaschbarem Emaillelack gestrichen, desgleichen die Wände oberhalb der Fliesen im Operations- und Sterilisationszimmer. Ferner ist über dem Operationstisch im Operationssaal ein grosses Oberlicht, welches abgeblendet werden kann, mit doppelter Verglasung vorgesehen. Die Dachkonstruktionen werden in Holz mit Pappdeckung hergestellt, das Dach selbst wird mit Ruberoid gedeckt. Für gute Entlüftung der Zimmer und Korridore wird besonders Sorge getragen.
Die Beheizung der Räume erfolgt durch eine Niederdruckdampfheizung und Radiatoren. Der Heizkeller ist mit besonderem Zugang von aussen an der Südseite des Gebäudes vorgesehen.
Die Frischwasserzuführung soll durch ein auf dem Werk besonders angelegtes Trinkwasserwerk erfolgen. Schmutz- und Regenwässer werden an die Schmutzwasser bzw. Kanalisation angeschlossen. – Sämtliche Räume haben elektrische Beleuchtung.
Die Einrichtung des Operations-, Sterilisations- und Röntgenzimmers sind mit den neuzeitlichsten Instrumenten und Apparaten vorgesehen.
Um auch von aussen eindringende Feuchtigkeit zu vermeiden, werden die Grundmauern aussenseitig mit Gondron gestrichen und einem ca. 1 m breiten Traufpflaster versehen.“11BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573

Das Krankenhaus im Jahr 1919 mit dem Gebäude 10 a und einer Gartenfläche von rund 9000 Quadratmeter. In einem Schreiben aus dem Jahr 1920 wird die Fläche unterteilt in: 800 qm bebaute Fläche und 8000 qm Garten.

Der obige Ausschnitt stammt aus einem Lageplan der Barackenstadt, der 1919 entstand.12BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, der Revolution von November 1918 und den Verhandlungen von Versailles 1919 verließen die Kriegsgefangenen und zwangsverpflichteten Arbeitskräfte die Baustelle des Lautawerkes sowie das Werk. Zudem stand durch die veränderten politischen und vor allem wirtschaftlichen Verhältnisse der Weiterbetrieb des Lautawerkes längere Zeit auf der Kippe. Das Protokoll der 9. Aufsichtsratssitzung der Vereinigten Aluminium Werke (VAW) vom 8. Juli 1919 enthält eine Information über den Stand des Baus der Siedlungen Nord und Süd.
In der ehemaligen Barackenstadt war danach begonnen worden, „vier der vormals zur Unterbringung von Gefangenen dienenden 120-Mann-Steinbaracken zu Vierfamilienhäusern umzubauen. Auch bei den übrigen vierzehn Baracken dieses Typs sollte dies geschehen. Man sah darin jedoch nur Provisorien (im Protokoll werden sie als Notwohnungen bezeichnet, doch stehen diese umgebauten Steinbaracken zum größten Teil noch heute …„. 13Ebenda, S. 123 f.

Im September 1919 ging eine Kalksandsteinfabrik (K-Fabrik bzw. KS-Fabrik) in Betrieb. Sie stellte die für den Siedlungsbau und für die Errichtung der Gebäude des Lautawerks benötigten Steine her. Eine Mischung von Kalk und Sand wurde in Stempelpressen unter großem Druck geformt und dann im Erhärtungskessel mit Wasserdampfdruck behandelt. Bei dem verwendeten Sand handelte es sich um Quarzsand besonderer Güte. Was damals wie heute eine Rohstoffvergeudung war. Aber der Sand kam vom Werksgelände und fiel bei den Planierungsarbeiten an.

Kalksandstein-Fabrik (KS-Fabrik) Lautawerk. Hier wurden die Steine für Wohnhäuser und Betriebsgebäude hergestellt.

1920 wurde das Kraftwerk aus dem Lautawerk ausgegliedert und 1921 an die Elektrowerke AG (EWAG) verkauft, zu der die Mitteldeutsche Kraftwerke AG (MKW) gehörte.

Im Zusammenhang mit dem Kraftwerksverkauf kam es noch in der VAW-Aufsichtsratssitzung am 15. Juni 1920 zu einer Übereinkunft hinsichtlich der gemeinsamen Nutzung der Werkssiedlungen durch VAW und MKW bzw. EWAG. Danach sollte eine Siedlungsgesellschaft mit einem Kapital von 20.000 Mark gegründet werden, welches hälftig von VAW und MKW bzw. EWAG zu übernehmen war. Zweck der Gesellschaft sollte sein, „billige Arbeiterwohnungen zu beschaffen und die Verpflegung der Arbeiter sicher zu stellen.“ Die Gründung der Lausitzer Siedlungs-Gesellschaft mbH, kurz LSG, erfolgte am 2. Juli 1920. Die VAW brachte die Siedlungen Lautawerk-Süd, Lautawerk-Nord und die Siedlung des Hilfsbetriebs Tongrube Guttau in die LSG ein, … „ferner sämtliche Kranken- und Versicherungs-Anstalten auf dem Lautawerk. […] Als ihr Zweck wurde außer der Verwaltung der Werkssiedlungen für die Zukunft auch eine eigene Siedlungstätigkeit vorgesehen, zu der es allerdings nie gekommen ist.“ 14Ebenda, S. 137 f.

Am 15. Oktober 1920 sah sich der Landrat des Kreises Calau, Carl Freter, gezwungen, dem Regierungspräsidenten in Frankfurt/Oder bezüglich des Krankenhauses in Lautawerk eine dringende Mitteilung zu senden.

Von der Direktion der Vereinigt. Aluminiumwerke in Lauta ist eine Steinbaracke zu einem Krankenhaus hergerichtet worden. Die Kosten für die Herstellung der Baracke und für die Einrichtung, sowie die Kosten für die Unterhaltung des Krankenhauses haben die V.A.-W. bisher aus eigenen Mitteln bestritten. Sofern das Krankenhaus mit Mitgliedern der ortskrankenkasse des Kreises Calau belegt worden ist, hat die Krankenkasse bisher pro Tag und Bett einen Betrag von Mk. 15 gezahlt. Schon vor geraumer Zeit wurde mir von der Vertretung der Arbeiterschaft des Lautawerks mitgeteilt, dass die Werksdirektion beabsichtige, den Krankenhausbetrieb nicht weiter zu führen. Ich habe mich daraufhin mit der Direktion der V.A.W. in Verbindung gesetzt. Ich fand dort die von der Vertretung der Arbeiterschaft ausgedrückte Befürchtung, dass sie die Schliessung des Krankenhauses beabsichtige, bestätigt. Die Direktion begründet ihre Absicht damit, dass das Krankenhaus alljährlich einen Zuschuss von mehreren 100 000 Mk. erfordere und das Werk nicht imstande sei, infolge der schlechten Konjunktur diesen Zuschuss für eine Wohlfahrtseinrichtung, um die es sich nach ihrer Auffassung handelt, zu tragenm. Ich habe daraufhin mit massgebenden Verwaltungsmitgliedern der Ortskrankasse des Kreises Calau verhandelt und erzielt, dass die Krankenkasse sich bereit erklärte, für jedes in dem Barackenkrankenhaus untergebrachtes Mitglied der Krankenkasse einen Betrag von 21 Mk. pro Tag zu zahlen und dass für den fall, dass andere Krankenhäuser ihre Sätze erhöhen, jeweils ein Betrag von 4 Mk. täglich über den Höchstsatz, den die umliegenden Krankenhäuser haben, an das Lautawerk gezahlt werden sollte. Der Höchstsatz ist zur Zeit der vom Krankenhaus Cottbus beanspruchte Satz von 17 Mk. pro Tag und Bett, sodass also zur Zeit der oben erwähnte Betrag von 21 Mk. geleistet werden sollte. Die Direktion der V.A.W. hatte die Absicht, das Krankenhaus schon zum 1. Oktober zu schliessen, durch die von mir eingeleiteten Verhandlungen ist diese Schliessung aber verhindert worden. Am 12. Oktober, gelegentlich meiner Anwesenheit auf dem Lautawerk, wurde mir jedoch von einem Mitglied der Direktion mitgeteilt, dass nunmehr die endgültige Schliessung des Krankenhauses zum 1. Dezember beschlossen worden sei.
Ich habe erneut mit dem Betriebsrat des L.W. in der Frage verhandelt und muss berichten, dass dieser Beschluss der Verwaltung des Lautawerks in der Arbeiterschaft ausserordentliche Beunruhigung hervorgerufen hat, meiner Ansicht nach mit Recht. Die Existenz des Krankenhauses auf dem Lautawerk halte ich für eine unbedingte Notwendigkeit. schon die Tatsache allein, dass die Anzahl der Betten, die 57 beträgt, fast ausschliesslich durch Kranke des L.W. beansprucht wird, ist meiner Ansicht nach ein ausreichender Beweis dafür. Andere Unterbringungsmöglichkeiten sind für die Werksangehörigen der V.A.W. nicht vorhanden. Die etwa in Frage kommenden Krankenhäuser sind namentlich in letzter Zeit immer überfüllt. Ein eigenes Krankenhaus besitzt der Kreis Calau leider nicht. Die Erbauung eines solchen stösst auch zur Zeit, insbesondere wegen der Lösung der Finanzfrage, auf ausserordentliche Schwierigkeiten. Bei den Verhandlungen mit der Direktion ist mir gesagt worden, dass die Unterhaltungskosten für das Krankenhaus des L.W. auf das Bett umgerechnet 25 Mk. pro Tag betragen. Die Werksangehörigen sind durchweg Mitglieder der Ortskrankenkasse Calau. Deckt also – entsprechend dem Vorschlag des Vorstandes der Krankenkasse – diese Kasse 21 Mk. täglich, so würden noch 4 Mk. pro Tag und Bett zu decken sein. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass für das L.W. eine derartige Einrichtung eine unbedingte Notwendigkeit ist und unter Berücksichtigung der ferneren Tatsache, dass die Arbeiter des Lautawerkes meines Erachtens einer besonderen Gefahrenklasse angehören und mit Rücksicht darauf, dass meines Erachtens für ein Industriewerk in dem Umfang des Lautawerks auch Verpflichtungen für das Werk in bezug auf Unterbringung der Kranken entstehen, war die von mir mit der Krankenkasse vereinbarte und der Direktion des L.W. angebotene Lösung die glücklichste.
Eine Uebernahme des Krankenhauses auf den Kreis kommt schon deswegen nicht in Frage, weil, wie gesagt, die Einrichtung für die Werksangehörigen benötigt wird, zudem aber auch das Krankenhaus in dem äussersten Winkel des Kreises liegt und deswegen für andere Kranke des Kreises schon wegen der Transportschwierigkeiten nicht in Frage kommt.
Da meine Einwirkung auf die Werksdirektion nicht ausreicht, um die Uebernahme der verbleibenden Kostendifferenz auf das Werk zu erzielen, mache ich diese Mitteilung mit der Bitte, dortseits Mittel und Wege zu finden, damit das Krankenhaus der Bevölkerung des Lautawerks erhalten bleibt. Die tatsächliche Schliessung des Krankenhauses am 1. Dezember könnte zu Unruhen führen, ohne dass ich imstande wäre, dieser Beunruhigung sachlich entgegen treten zu können.“15BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573

Bereits einen Tag später erweiterte der Calauer Landrat seine Mitteilung:

Bezugnehmend auf meinen Bericht vom 15.d.J. in der Krankenhausangelegenheit auf dem Lautawerk ergänze ich noch folgendes:
Ich habe erneut mit dem Betriebsrat des L.W. und mit dem Geschäftsführer der Ortskrankasse des Kreises Calau verhandelt. Der Geschäftsführer hat mir erklärt, dass seiner Ansicht nach (ohne dass schon ein Beschluss des Kassenvorstandes bezw. Ausschusses vorliegt) die Krankenkasse das Krankenhaus übernehmen und fortführen würde, wenn das Lautawerk sich bereit erklären würde, die Kosten für Beleuchtung, Heizung und Gebäudeunterhaltung zu tragen. Auf einen Barzuschuss seitens des Werkes würde dann die Krankenkasse verzichten. Ich habe den Geschäftsführer ersucht, unverzüglich einen Beschluss des Krankenkassenvorstandes herbeizuführen und mir diesen mitzuteilen. Ich will mit diesem neuen Vorschlag nochmals an die Direktion des Werkes herantreten, glaube aber, dass das Werk diesen Vorschlag annehmen wird.
In Ergänzung meiner Sachdarstellung im Bericht vom 15. Oktober weise ich noch besonders darauf hin, dass von der Gesamtbelegschaft des Lautawerks von etwa 3600 Mann nur 400 verheiratete Arbeiter Familienwohnungen haben. Die übrige Belegschaft ist in Baracken untergebracht und im Krankheitsfalle – selbst bei leichten Erkrankungen – auf Unterbringung im Krankenhaus angewiesen. Eine nicht unerhebliche Anzahl der Krankheitsfälle ist auf Vergiftungserkrankungen und auf Verbrennungen infolge der Eigenart des Betriebes zurückzuführen, ausserdem sind Augenerkrankungen häufig, die bis zur Erblindung geführt haben. Der Betriebsrat sowohl, als die Vertreter der Ortskrankenkasse folgern aus diesen mit der Eigenart des Betriebes in Zusammenhang stehenden Zuständen m.E. mit Recht, dass eine finanzielle Verpflichtung seitens des werkes in erheblichem Masse vorliege. es ist s. Zt. leider bei der Genehmigung der Ansiedlung nicht darauf Gewicht gelegt worden, dass dem Werke in der Ansiedlungsgenehmigung Verpflichtungen nach dieser Richtung hin auferlegt worden sind.“16Ebenda.

Freters Bemühungen für den Erhalt des Krankenhauses in Lautawerk ergänzten sich mit den Informationen, die der Oberpräsident der Provinz Brandenburg und von Berlin bei einem Besuch des Lautawerks erhielt und über die er am 22. Oktober 1920 einen schriftlichen Bericht verfasste.

Gelegentlich der bei meiner Bereisung des Kreises Calau kürzlich stattgehabten Besichtigung der „Vereinigten Aluminiumwerke in Lauta“ kam zur Sprache, dass das von den Aluminiumwerken bisher aus eigenen Mitteln unterhaltene Krankenhaus mit dauernden jährlichen Zuschüssen von mehreren Hunderttausend Mark arbeitet, und dass deshalb die Direktion der Aluminiumwerke die Schliessung der Krankenanstalt beabsichtigt. Es wäre mir von Interesse, darüber unterrichtet zu werden, ob die von dem Landrat des Kreises Calau nach seiner mir gemachten Mitteilung beabsichtigten Schritte – Erhöhung des Beitrages der Krankenkasse pro Tag und Bett für Krankenkassenangehörige auf 21. Mk. – einen Erfolg gehabt haben. Ich ersuche deshalb ergebenst, mir s. Zt. hierüber berichten zu wollen.
Es wird eventuell zur Vermeidung einer Schliessung des Krankenhauses zu prüfen sein, inwieweit dem Kreis nahezulegen ist, zu dem ungedeckten Fehlbetrag beizutragen. Eine Beitragsleistung zur Unterhaltung des Krankenhauses aus Staatsmitteln wird nicht in Frage kommen.“17Ebenda.

Am 25. Januar 1921 berichtete Calaus Landrat über die offensichtliche Rettung des Krankenhauses von Lautawerk.

Unter Bezugnahme  auf meinen Bericht vom 15. Oktober 1920 Tgb.Nr. 4969/K.A. berichte ich, daß nach langwierigen Verhandlungen eine Verständigung zwischen der Direktion der Vereinigten Aluminiumwerke und der Allgemeinen Ortskrankenkasse des Kreises Calau erzielt worden ist. Die Ortskrankenkasse übernimmt die Verwaltung des Krankenhauses zunächst für die ganze Zeit bis zum 30. Juni 1921.
Auch für die spätere Zeit ist die Krankenkasse zur Übernahme des Krankenhauses bereit, wenn das Werk bestimmte, noch zu vereinbarende Leistungen gewährt.
Bezüglich dieser Leistungen schweben noch Verhandlungen. Auch die Gemeinde Lauta soll um einen Zuschuß angegangen werden.
Auf eine Verständigung ist zu rechnen, sodaß voraussichtlich das Krankenhaus erhalten bleibt.“ 18Ebenda.

Barackenstadt und Siedlung Lautawerk-Süd 1922

Wie es um die Einwohnerzahl und die Wohnsituation in Lautawerk Ende 1920 stand, ist einem Bericht des Landrats des Kreises Calau, Carl Freter, vom 16. Oktober 1920 zu entnehmen.

Bezugnehmend auf die Unterredung gelegentlich der Anwesenheit des Herrn Oberpräsidenten am 12. d. M. berichte ich bezüglich der Wohnungsfrage auf dem Lautawerk folgendes:
Die Belegschaft des Lautawerkes beträgt zur Zeit rund 3600 Personen (ausschliesslich Familienangehörige). Es sind zur Zeit vorhanden 285 Familienwohnungen, während Wohnungen für 115 Familien in der Ferigstellung begriffen sind und in Kürze bezugsbereit werden. Demnach kann man sagen, dass für 400 Familien Wohnungen vorhanden sind. In diesen Bauten finden noch etwa 100 Schlafgänger Unterkunft. An Wohnungssuchenden sollen etwa 1500 Arbeiter und 250 – 300 Angestellte vorhanden sein. In diese Zahl sind einbegriffen diejenigen jungen Leute, welche eine Familie begründen wollen, wegen des Wohnungsmangels zur Zeit dazu aber nicht imstande sind. Familienväter, deren Familie zum Teil in weiter Ferne sich aufhält, sind etwa 800 vorhanden. Gelegentlich der Fertigstellung von 30 Wohnungen waren vor kurzer Zeit allein 700 Wohnungssuchende als besonders dringend gemeldet. Auf dem Lautawerk sind Arbeiter beschäftigt, deren Familien zum Teil in Ostpreussen, in Sachsen und Oberschlesien sowie in Berlin wohnhaft sind. Es gibt Familienväter, die ihre Familie monatelang nicht zu Gesicht bekommen. Die Baracken, insbesondere die Holzbaracken, bedeuten eine Gefahr für Gesundheit und Leben der Arbeiter. Bei der Besichtigung hat der Herr Oberpräsident dieser Auffassung selbst Ausdruck gegeben.
Die Direktoren und die höheren Angestellten haben durchweg Wohnungen, bei einem Teil dieser Wohnungen kann man direkt von einer Raumverschwendung reden Auch die Bauten, sämtlich in neurer Zeit errichtet, sind derart, dass erhebliche Materialersparnisse hätten eintreten können. Die Belegschaft betrug vor Monaten noch rund 5000 Mann und ist erst in neurer Zeit auf die jetzige Ziffer herabgemindert. Eine weitere Herabminderung ist nicht mehr möglich, wenn nicht Betriebsabteilungen ihre Produktion einstellen sollen. Die Firma beabsichtigt allerdings noch eine Herabminderung der Arbeiterzahl in der Kalksandsteinfabrik, wohl deswegen, weil sie weitere Bauten nicht ausführen will, während andererseits jedoch ein Bedürfnis an Baumaterial nicht nur für das Lautawerk, sondern allgemein vorhanden ist und die Kalksandsteine sich wesentlich billiger stellen als die gebrannten Mauersteine. Der Nachteil der geringeren Durchlässigkeit bei den Kalksandsteinen lässt sich im wesentlichen durch zweckmässige Isolierungen beheben.
Das dauernde Barackenleben erweckt bei der Arbeiterschaft ausserordentliche Unzufriedenheit, die naturgemäss vermehrt wird durch die von der Direktion bekundete Absicht, das Weiterbauen aus Mitteln des Werkes überhaupt einzustellen. Wenn auch anerkannt werden muss, dass bezüglich des Aluminiumwerkes vor einigen Monaten eine gewisse Krise eingetreten und der Aluminiumpreis erheblich gesunken war, so ist doch jetzt wiederum ein nicht unerhebliches Anziehen der Preise zu verzeichnen. Die Preise sind von 24 Mk. auf 33 Mk. pro Kilo gestiegen. Bemerkt sei noch, dass abgesehen von der Kalksandsteinfabrik, die Firma eine Holzbearbeitungsfabrik besitzt und auch eine Zementfabrik im Gange hatte, die allerdings eingestellt worden ist. Die maschinellen Vorrichtungen sind jedoch vorhanden. Die Voraussetzungen für die Erzeugung von Baumaterial sind also auf dem Lautawerk besonders günstige.
Die Behebung der Wohnungsnot auf dem Werk halte ich für eine besonders dringende Notwendigkeit. Ich kann die Berechtigung der Unzufriedenheit, namentlich der Familienväter, nicht verkennen: ihre Arbeitsfreudigkeit leidet ausserordentlich darunter und damit auch die Produktion. Den Standpunkt der Werksleitung, für die Herstellung von Wohnungen in Zukunft überhaupt keine Mittel mehr aufzuwenden, halte ich nicht für berechtigt. Derartig umfangreiche industrielle Anlagen, die hingestellt werden in eine Gegend, wo eine Wohnungsmöglichkeit für die zu beschäftigende Arbeiterbevölkerung überhaupt nicht besteht, haben die Verpflichtung, für diese Wohnungsmöglichkeit zu sorgen. Die Unterbringung in Baracken kann wohl für eine verhältnismässig kurze Zeit gebilligt werden; aber nicht als Dauerzustand. Hinzu kommt noch, dass die Arbeiterschaft des Lautawerks zum Teil ausserordentlich gesundheitsgefährliche Arbeit zu verrichten hat. Vergiftungen, Verbrennungen und Augenerkrankungen bis zur Erblindung sind keine Seltenheit.
Da ich es aber für ausgeschlossen halte – und der Herr Oberpräsident wird wohl auf Grund der Unterredungen mit den Vertretern des Werkes derselben Ueberzeugung sein – dass das Werk in Zukunft in ausreichender Zahl die Bauten mit eigenen Mitteln fortführt, bitte ich Mittel und Wege anzugeben, wie die Fortführung der Bauten ermöglicht werden kann. Ich habe bei Unterhandlungen mit der Werksdirektion angeregt, dass eine Siedlungsgesellschaft unter Beteiligung der Arbeiterschaft und des Kommunalverbandes und selbstverständlich auch des Werkes gegründet wird, damit die Baukostenzuschüsse, bezw. die Darlehen des Reiches und des Kommunalverbandes erzielt werden können. Bisher habe ich eine entgegenkommende Erklärung auf diese meine Anregung nicht erhalten. Es wäre weiter zu erwägen, ob mit Rücksicht darauf, dass sämtliche Aktien vom Reich erworben sind, nicht doch wesentliche Zuschüsse aus Reichsmitteln zu erreichen sind. Auch diese Frage habe ich wiederholt angeregt. Von der Werksdirektion wurde mir erklärt, dass Bemühungen der Direktion nach dieser Richtung hin erfolglos gewesen sind.
Ich darf noch erwähnen, dass die Bauarbeiter, die bisher auf dem Werk beschäftigt sind, in Versammlungen sich mit der Frage der Einstellung der Bauten beschäftigt und den Gedanken ventiliert haben, eine Baugenossenschaft zu gründen, um den Unternehmergewinn, zum Zwecke der Verbilligung der Bauten, auszuschalten. Diese ihre Absicht haben die Arbeiter auch der Werksdirektion gegenüber zum Ausdruck gebracht, und weiterhin angeregt, dass mindestens das Werk bei der Lieferung des Baumaterials auf jeden Gewinn verzichten solle. Auch da sind bisher entgegenkommende Erklärungen nicht abgegeben worden.
Ich darf wohl noch daran erinnern, dass der Herr Oberpräsident übereinstimmend mit mir der Ansicht war, dass die Förderung der Siedlungen in der Provinz, wo die industrielle Produktion noch vermehrt werden kann – und das ist im Kreis Calau der Fall – von erheblich grösserer Bedeutung ist, wie die Bautätigkeit der Grossstadt, wo durch Neubauten geschaffene Aufnahmefähigkeit das Heer der Arbeitslosen nur noch vermehrt wird.
Ich betrachte die Wohnungsfrage auf dem Lautawerk als ausserordentlich ernst und wiederhole, was ich dem Herrn Oberpräsidenten gesagt habe, dass das Lautawerk gewissermassen der Herd der radikalen Agitation im Kreise ist.
Das Verhalten der Werksdirektion ist nicht geeignet, beruhigend auf die Arbeiterschaft zu wirken. Sollte in der Tat die von der Werksleitung angekündigte Einstellung der Bautätigkeit eintreten, etwa noch verbunden mit der Schliessung des Krankenhauses, so würde die Beunruhigung auf dem Lautawerk ausserordentlich vermehrt werden und es würde mir kaum möglich sein, dieser Beunruhigung mit sachlichen Gründen entgegentreten zu können.
Ich bitte daher den Herrn Oberpräsidenten, alle Möglichkeiten zu erschöpfen, um den Bau von Arbeiterwohnungen auf dem Lautawerk zu fördern. Vielleicht ist eine Rücksprache im Reichsschatzministerium zweckmässig. Vorsitzender des jetzigen Aufsichtsrats der Vereinigten Aluminiumwerke Lauta soll Herr Geheimrat Demuth im Reichsschatzministerium sein, der an die Stelle des Herrn Unterstaatssekretärs Goldkuhle getreten sein soll.“19BLHA Potsdam, Rep. 3 B 234

1922 wurden im Lautawerk 2.900 Arbeiter und 350 Angestellte beschäftigt.

Einen Eindruck von der Situation in der Barackenstadt und vom Stand des Baus der Siedlung Lautawerk-Süd vermittelt das Einwohnerbuch des Jahres 192220Einwohnerbuch der Städte und Ortschaften des Kreises Calau. Senftenberg, Calau, Lübbenau, Vetschau, Drebkau. 1922, Cottbus 1922. Für Süd enthält es lediglich Baracken und deren Nummern. Als einzige Straße wird der Tornoer Weg genannt, die heutige Oststraße.

Der nicht vollständig auffindbare Plan der Barackenstadt, vmtl. aus dem Jahr 1919, bedarf noch einer sorgfältigen Auswertung. Nicht nummeriert sind das Krankenhaus und das in seiner unmittelbaren Nähe befindliche Desinfektionsgebäude und die Isolierbaracke. In Nr. 36 und 37 könnten zum Krankenhaus gehörende Personen untergebracht worden sein. Der Wasserturm stand damals noch östlich des Pförtners.

Die Baracken gehen im Adressbuch des Jahres 1922 – mit Lücken – von der Nr. 1 bis zur Nr. 113. Davon sind 56 Baracken nicht aufgeführt. Die restlichen 57 Baracken weisen eine unterschiedliche Belegung auf. Unter Berücksichtigung, dass immer die Hausvorstände aufgelistet sind, gab es 24 Baracken mit jeweils vier Mietparteien, sieben mit jeweils fünf Mietparteien, sechs mit drei Mietparteien, fünf mit zwei Mietparteien. Für sieben Baracken ist nur eine Mietpartei aufgeführt. Zur Unterbringung von Einzelpersonen sind möglicherweise sechs Baracken genutzt worden. Eine mit 12 Personen, zwei mit jeweils neun Personen, eine mit acht, jeweils zwei mit sieben bzw. sechs Personen. In sieben Baracken sind nur jeweils eine Mietpartei nachgewiesen.

Insgesamt verzeichnet das Einwohnerverzeichnis für die Barackenstadt 237 Personen, Haushaltsvorstände bzw. Einzelpersonen.

Erwähnt werden für 1922 die Drogerie Siedlung Süd mit dem Inhaber Willi Scholze sowie das Kaufhaus Süd, Inhaber Peter Porada. Nicht genau verorten lassen sich das im Einwohnerbuch aufgeführte Kaufhaus von Ernst Jurkiewicz, das Kaufhaus Bauer, in dem Thilo Lippold als Verkäufer arbeitete, und die Verkaufsstelle 6.

Das Verwaltungsgebäude, Baracke Nr. 1 – im Plan „Aufnahmegebäude“, ist mit Clara Altermann (Verkäuferin) und Karl Möller (Barackenwärter) enthalten.
Das Arbeiterkasino, Baracke Nr. 11 und im Plan als „Speisehaus“ bezeichnet, ist nur mit der Gastwirtin Anna Pannewitz aufgeführt. Dazu gehörten die Gebäude 11a und 11b.
An der Südseite angebunden die „Verkaufshalle“.
Das Krankenhaus ist nicht nummeriert. In Baracke Nr. 36 sind Karl Lindau (Elektriker), Robert Schultzer (Maurer) und Franz Wöschke (Maschinist) aufgeführt. Wöschke arbeitete in der Desinfektionsbaracke.
Die kleinen Gebäude – im Plan Nr. 3a, 5a, 10a, 13a, 16a und 17a – könnten separate Waschhäuser gewesen sein.
Was die Abkürzungen „M“ und „P“ bei den einzelnen Barackennummern bedeuten, ist noch nicht ganz klar. Das „M“ als Abkürzung für „Männer“ zu deuten, wäre möglich. Aber was bedeutet dann „P„?

Das Verwaltungsgebäude wurde als Nr. 1 bezeichnet.

Es ist nicht sicher, ob es sich hier um ein Gebäude handelt oder der Komplex mehrere Barackennummern trug. Die Baracke Nr. 11, das Arbeiterkasino, ist jedenfalls mit darin. Das Foto entstand in der ersten Hälfte der 1920er Jahre.
Gastraum im Arbeiterkasino. Das Foto entstand nach 1933, wie aus dem Bild an der Wand links ersichtlich.
Aus der Zeit nach 1933 stammt dann auch dieses Foto. 1929 führte Fritz Bela als Verwalter das „Gasthaus Lautawerk Süd“ der Ilse Wohlfahrtsgesellschaft mbh.
Das Krankenhaus der Barackenstadt, später Kinderheim bzw. Kinderwochenheim.
Die damalige „Verkaufshalle“ wurde später als „Kaufhaus“ bezeichnet.
Auf der Rückseite dieses Fotos steht „Familie Schneider. Lautawerk. Lausitz“. 1922 gab es in der Baracke 12 die Familie des Feuerwehrmannes Robert Schneider, die auch noch 1925 dort wohnte. In Baracke 37 (oder Haus 37?) wohnte der Schweißer Max Schneider. 1925 war er aus- und in ein Eigenheim gezogen.
Die Nr. 22 trug dieses an der Bahnlinie gebaute Haus (Puschkinallee?). 1922 wohnten darin sieben Familien. 1925 waren es neun.
Bei diesem Foto könnte es sich auch um Häuser in der heutigen Puschkinallee handeln? Waren es die Nr. 22 und 21?

Laut der Dunlop-Straßenkarte von 1927/28 sahen die Verkehrsverhältnisse um Lautawerk herum wie folgt aus:

Es ist davon auszugehen, dass die um das Werk bzw. dessen Baustelle herum verlaufenden Wegeverläufe – die heutige Straße der Freundschaft, Mittelstraße und Friedrich-Engels-Straße – schon existierten. In welchem Zustand auch immer.

Plan der ehemaligen Barackenstadt, erstellt nach 1980.

Die Puschkinallee im Süden, die Oststraße im Osten, die Friedrich-Engels-Straße im Norden und die Arndtstraße im Westen könnten die Grenzen der Barackenstadt gebildet haben. Von dort aus vollzog sich dann die weitere Erschließung Richtung Süden und Westen. Im obigen Plan sind 40 Gebäude enthalten.
Nr. 3 am Lessingplatz war das vormalige Verwaltungsgebäude und das Kinderwochenheim vermutlich das Krankenhaus. Wie die im Plan enthaltenen Nummern mit den einstigen Nummerierungen der Baracken korrespondieren, wäre noch zu klären.

Barackenstadt und Siedlung Lautawerk-Süd 1925

Anfang 1926 stellte sich die Situation in Lautawerk, nach einem Bericht vom 9. Februar 1926, wie folgt dar:

Die Zahl der Angestellten im Lautawerk beträgt 343 und die der Arbeiter 2230, insgesamt 2573.
Von diesen Leuten wohnen:
784 Ledige in Ledigenheimen
600 Verheiratete fahren mit dem Rad in die nähere Umgebung,
745 wohnen in Werkswohnungen,
112 wohnen in Heimstätten und Eigenheimen,
insgesamt 2241,
sodass sich heute ein tatsächlicher Wohnungsbedarf von 332 Wohnungen ergibt. 270 Leute haben überhaupt keine Wohnung oder wohnen soweit von hier fort, dass sie nur alle 3 Wochen nach Hause fahren können. 62 Familien sind sehr notdürftig hier in Holzbaracken untergebracht.“21BLHA Potsdam, Rep. 6C 30

Am 17. und 18. Februar 1926 fand zu diesem Thema eine Besprechung u.a. in Lautawerk statt, über deren Ergebnis der Regierungs-Präsident am 20. Februar 1926 berichtete.

Im Anschluß an die örtliche Besprechung am 17. und 18. dieses Monats teile ich ergebenst mit, daß ich für drei Wohnungen für Schwerkriegsbeschädigte und Kinderreiche in Calau ferner für 20 Wohnungen in lautawerk unverbindlich Vormerkungen aus dem Wohnungsfürsorgefonds 1926 vorgenommen habe. Wegen der 3 Wohnungen in calau wird die Höhe der Bezuschussung von den tatsächlichen Kosten abhängen. Für 20 Wohnungen im Lautawerk sind 100.000 Mk. in Aussicht genommen.
Die Unterverteilung der 20 Wohnungen in Lautawerk an die Heimstätten/Genossenschaft und die Eigenheim-Genossenschaft bitte ich im Einvernehmen mit den beiden Genossenschaften und dem geldlich nicht unerheblich beteiligten Aluminium Werk vorzunehmen.
Ich bemerke, daß eine endgültige Zusage von mir erst dann erfolgen kann, wenn mir tatsächlich Mittel zur Verfügung gestellt sein werden.
Sollten dem Kreise Calau im Jahre 1926 mehr Mittel zur Verfügung stehen als im Jahre 1925 und umgekehrt der Regierungspräsident weniger erhalten, so müßte der entsprechende Anteil für obige Zwecke vom Kreise hergegeben werden.“22Ebenda.

Einen Eindruck von der damaligen Situation in der Barackenstadt und vom Stand des Baus der Siedlung Lautawerk-Süd vermittelt das Einwohnerbuch des Jahres 192523Einwohnerbuch der Städte und Ortschaften des Kreises Calau. Senftenberg, Calau, Lübbenau, Vetschau, Drebkau. 1925, Cottbus 1925.

Für Süd enthält es lediglich Baracken und deren Nummern. Als einzige Straße wird der Tornoer Weg genannt, die heutige Oststraße. 49 Personen sind mit dem Hinweis „Eigenheim“ aufgeführt.
Es ist möglich, dass in dem Verzeichnis Personen aufgeführt wurden, die dort wohnten oder lediglich arbeiteten bzw. sowohl wohnten als auch arbeiteten. Ein Klärung ist nur mit einer Auswertung der Einwohnerverzeichnisse der Nachbarorte zwischen Senftenberg und Hoyerswerda möglich.
Der im Krankenhaus der Barackenstadt tätige Arzt Josef Modlich ist 1925 aber nur an seiner Arbeitsstelle verzeichnet. 1922 gibt es ihn noch nicht in Lautawerk oder Lauta Dorf.

Die Baracken gehen – mit Lücken – von der Nr. 1 bis zur Nr. 118. Davon sind 27 Baracken nicht aufgeführt (1922 waren es 56.). Die Baracken weisen eine unterschiedliche Belegung auf. Zumeist sind die Familienvorstände genannt. Aber in einer Vielzahl von Baracken wurden auch Einzelpersonen untergebracht. Die Belegung der Baracken war 1925 wie folgt:

Nr. der Baracke Anzahl der Mietparteien bzw. Bewohner   Nr. der Baracke Anzahl der Mietparteien bzw. Bewohner
1 10 Bw 70 15 Hz
2 3 Bw 71 1
3 7 Hz 72 4
5 10 73 4
6 18 Hz 74 2
7 16 Hz 75 5
8 26 76 4
9 7 77 4
10 6 78 5
11 3 79 7
12 6 Hz 80 20
13 5 81 8 Hz, Bw
15 1 82 1
16 16 Hz (3) 83 12
17 13 Bw 84 17
18 10 Hz 85 7
19 16 86 11
20 7 87 22 Hz
21 7 88 16 Hz (3)
22 9 Hz 89 20
23 6 90 10
27 3 91 23
29 1 Hz 92 4
31 6 93 2
36 10 94 10 Bw
37 8 95 3 Hz
38 6 96 5 Hz
39 9 Bw 97 12
48 4 98 6
49 8 99 6 Hz (2)
50 4 Hz 100 8 Hz
52 9 Hz 102 3
53 6 Hz (2) 104 7
54 8 106 8 Hz
55 4 107 9
56 4 108 9
57 5 111 1
58 4 112 3
60 4 113 9
61 4 Hz 114 17
62 5 115 16
65 7 116 10
66 2 117 3
67 12 118 3
68 10
69 17 Hz, Bw (2)

Insgesamt verzeichnet das Einwohnerverzeichnis für die Barackenstadt 736 Personen, Haushaltsvorstände bzw. Einzelpersonen.

Wie wurden die Baracken beheizt?
Gab es einzelne Heizhäuser, die mehrere Barcken beheizten oder erfolgte die Beheizung über Kachelöffen oder andere Öfen?
Auffällig ist, dass 28 Personen mit dem Beruf Heizer (Hz) aufgeführt wurden. Sie waren für 90 Objekte zuständig. Wobei davon auszugehen, dass in den Baracken, in denen Familien lebten (je 4 bis 5 Familien), diese für das Heizen selbst zuständig waren.

Wie wurde für Sicherheit und Ordnung gesorgt?
Kontrolliert wurde das Leben in der Barackenstadt durch den Barackenverwalter, Leopold Stoeckel. Ihm unterstanden acht Barackenwärter (Bw), die jeder für rund zehn Objekte zuständig waren.
Unter den Bewohnern der Barackenstadt sind zwei Wachmänner und ein Oberlandjäger aufgeführt. Es ist nicht klar ob sie zum Werkschutz gehörten oder dem Barackenverwalter unterstanden. Möglicherweise auch beiden.

Wie erfolgte die soziale Betreuung?
Erwähnt werden für 1925 in der Barackenstadt als Einrichtungen mit sozialem bzw. wirtschaftlichem Zweck: Verwaltung, Arbeiterkasino, Krankenhaus, Desinfektionsbaracke.
Das Krankenhaus war die Baracke Nr. 36. Auffällig ist, dass die darauf folgende Baracke Nr. 37 von der sozialen Zusammensetzung der Personen, so gar nicht dem Schnitt der Personen in den Unterkunftsbaracken entspricht. Von den aufgeführten acht Personen waren zwei Kaufmänner (Otte, Steinbach), einer Gärtner (Kunick), einer Maschinist und die restlichen vier Arbeiter. Es könnte sich um die Desinfektionsbaracke gehandelt haben, in der sich auch eine Drogerie oder Apotheke befand.

Wie wurden die Bewohner versorgt?
Vermutlich gab es eine Grundversorgung (Essen) im Arbeiterkasino. Gastwirtschaft ebenfalls im Arbeiterkasino.
Einkaufsmöglichkeiten gab es im Kaufhaus Süd (darin folgende Kaufleute: Porada, Peter; Schulze, Bruno; Zimmerling, Harri) sowie über Verkaufsstände (Knospe, Otto; Kuchinke, Josef; Linke, Arno; Rühle, Fritz). Wo sich diese befanden, teilt das „Einwohnerbuch“ nicht mit. Darüber hinaus werden in verschiedenen Baracken Personen genannt, die ebenfalls mit Handel zu tun hatten: Baracke Nr. 10 – Konrad Beichler, Kaufmann; Baracke Nr. 13 c – August Möller, Handelsmann; Baracke Nr. 20 – Ernst Triebe, Kaufmann; Baracke Nr. 23 – Willi Neumann, Geschäftsführer; Otto Voigt, Kaufmann; Baracke Nr. 31 – Paul Förster, Fahrradhandlung; Baracke Nr. 102 – Schuhmacher (Wilhelm Jänchen, Max Kummer) und Baracke Nr. 117 – Johann Mischok, Milchhandlung. Bei Baracke Nr. 13 könnte es sich um das Kaufhaus Süd gehandelt haben.

Folgende 1922 aufgeführte Einrichtungen sind 1925 nicht mehr auffindbar: Drogerie Siedlung Süd (Inhaber Willi Scholze),  Kaufhaus von Ernst Jurkiewicz, Kaufhaus Bauer und die Verkaufsstelle 6.

Für folgende Einrichtungen wird noch der Ort gesucht, an dem sie sich befanden: Kantinenquartier mit Fritz Knösel als Kantinenwirt, Dampfwäscherei von Fritz Schiebel, Hauptküche, Alte Unfallstation, Amtsbaracke.

Ledigenwohnheim

Aufgeführt wird im Einwohnerverzeichnis zum ersten Mal ein Ledigenwohnheim Süd (4 Bewohner) bzw. Ledigenwohnheim Süd 1 (6) und Ledigenwohnheim Süd 2 (7). Die Angaben Ledigenwohnheim Süd 1/12, Ledigenwohnheim Süd 1/51, Ledigenwohnheim Süd 2/31 und Ledigenwohnheim Süd 2/37 geben vermutlich an, bis zu welcher Zimmerzahl das Ledigenwohnheim belegt werden könnte bzw. sollte. Vermutlich war es zu diesem Zeitpunkt noch in der Barackenstadt. Das könnte sich aber erst mit der Auswertung des Einwohnerbuches von 1929 klären.

Die Barackenstadt und in ihr tätige Personen

Verwaltungsgebäude

Das Verwaltungsgebäude, als Haus 1 bzw. als Baracke Nr. 1 bezeichnet, war 1925 der Sitz des Barackenverwalters Leopold Stoeckel und des Geschäftsführers Otto Eisfeld. Im Haus gab es zwei Friseure – Kurt Häusler und Max Zettler. Clara Altermann arbeitete darin als Verkäuferin. Dienstmädchen (Margarete Herter), Arbeiter (Josef Heinsch, Paul Wehner), Wärter (Karl Möller) und Anna König bildeten das Personal. Anna König wird als „Stütze“ bezeichnet, was eigentlich Haushaltshilfe meint.

Leopold Stoeckel begann seine Tätigkeit am 1. Mai 1918 im Dienstrang Major als Aufseher des Barackenlagers. er hatte dort für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen, was einer der „unangenehmsten und schwierigsten Posten “ war. Der Platz vor dem Verwaltungsgebäude trug ab 1929 über viele Jahre seinen Namen, Stoeckelplatz. Obwohl er zu dieser Zeit noch lebte und seine Tätigkeit als Siedlungsverwalter ausübte. Im Einwohnerverzeichnis von 1922 ist er nicht erfasst. In den 1930er Jahren ist Stoeckel vermutlich verstorben oder hatte Lauta verlassen.

Krankenhaus

Die Baracke Nr. 36 war das Krankenhaus des Lagers. Für 1922 sind damit verbunden nur Karl Lindau (Elektriker), Robert Schultzer (Maurer) und der Maschinist Franz Wöschke aufgeführt. Wöschke war für die Desinfektionsbaracke zuständig.

1925 erhöhte sich die Zahl der genannten Personen auf zehn. Geschäftsführer des Krankenhauses war Paul Wolter. Josef Modlich arbeitete als Arzt mit den Krankenschwestern Frieda Hausten, Ida Ossenhammer und Ella Pfähler. Unterstützt wurden sie von Walter Bloß (Angestellter), Hulda Hanschke (Wirtschafterin), Hedwig Köhler (Hausdame) und Gustav Müller (Schlosser). Welcher Geschäfte der Kaufmann Otto Jakobitz nachging, lieiß sich nicht feststellen. Aber er war auch 1929 an gleicher Stelle aktiv. Und 1941 ist Jakobitz am Lessingplatz 13 zu finden. Jakobitz war Mitglied der SPD und Vorstandsmitglied der „Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk eGmbH zu Lautawerk“.

Arbeiterkasino

1922 wird das Arbeiterkasino nur an einer Stelle als Baracke Nr. 11a benannt und zwar in Verbindung mit dem Namen der Gastwirtin Anna Pannewitz.

1925 ist es als Arbeiterkasino und Baracke Nr. 11 zu finden. Letzteres vermutlich bezogen darauf, dass in dem Haus folgende Personen wohnten: Charlotte Gommlich (Verkäuferin), Martin Häusler (Arbeiter ) und Minna Heinrich (Witwe).
Geführt wurde es weiter von Anna Pannewitz (Gastwirtin) gemeinsam mit Paul Pielenz (Kantinenverwalter). Als Küchenhilfe hatte sie Emma Droband. Hans Bulang (Bäcker) fertigte die Backwaren und die Verkäuferinnen Käte Buder, Marie Kubiak, Frieda Liesk und Katharina Urbanski sowie der Verkäufer Herbert Wujanz bedienten die Kundschaft. Zum Personal gehörten weiterhin Agnes Bär (Kontoristin), Marie Burdack und Emma Vetter (beide Hausmädchen), Anton Mory (Handlungs-Gehilfe) und die Kassiererin Käthe Teichert.

1927 ist Fritz Bela der Verwalter.

Telefone in Lautawerk

1925 führt das Einwohnerbuch eine technische Neuerung auf, das sich immer weiter über die Gemeinde verbreitet – das Telefon.

Es gibt zu diesem Zeitpunkt offensichtlich insgesamt 64 Anschlussstellen.

Nr. 4 Güterabfertigung

Nr. 8 bis 11 gehören der Vereinigte Aluminium Werke AG (VAW)
Nr. 8 Beamtenkasino u. Josef Modlich, Arzt

Nr. 13 Otto Glock, Kolonialwarenhändler (1929)

Nr. 14 Gemeindeamt Lauta (1929)

Nr. 17 Paul Guhr, Bierverleger (1929)

Nr. 20 Erich Paulitz, Konfektionsgeschäft (1929)

Nr. 21 Lautawerks Anzeiger (Hermann Meyer)

Nr. 22 Paul Förster, Fahrradhandlung

Nr. 23 Weilandsche Steinbruchverwaltung (1929)

Nr. 27 Peter Porada, Kaufmann (1927)

Nr. 29 Arnold Wulff, Kaufmann

Nr. 32 VAW

Nr. 34 Moritz Nicolai, Möbelgeschäft

Nr. 36 Otto Schöne, Bäckermeister (1929)

N. 38 Wilhelm Kolle, Gastwirt Lauta Dorf (1929)

Nr. 41 Dampfwäscherei Fritz Schiebel

Nr. 43 Albert Kaebsch, Pfarrer Lauta Dorf (1929)

Nr. 44 Arbeiterkasino

Nr. 45 Sparkasse Lauta (1929)

Nr. 47 Otto Gleiß, Arzt

Nr. 49 Fritz Brandenburg, Pfarrer Lautawerk (1929)

Nr. 50 August Scheack, Gemeindevorsteher Lauta Dorf (1929)

Nr. 51 August Kliemangk, Kaufmann, Lauta Dorf (1929)

Nr. 52 Arnold Schneider, „Waldklause“ (1929)

Nr. 53 Karl Putzke, Kolonialwarenhändler (1929)

Nr. 55 u. 56 VAW

Nr. 58 Johannes Liebelt, Pfarrer Lautawerk (1929)

Nr. 64 VAW, Elektrowerke AG – Kraftwerk Lauta (1929)

Nr. 65 Konsum-Verein (1929)

Nr. 69 August Srenick, Landwirt Lauta Dorf (1929)

Wer die anderen Anschlüsse erhielt, ist nicht bekannt.

Entstehung von Lautawerk-Süd

Die Entstehung des Ortes Lautawerk mit seinen Siedlungen Nord, Süd und West erfolgte bis 1929 in sechs Ausbaustufen. „I. Ausbau“, „II. Ausbau“ und teilweise „III. Ausbau“ betrafen die Siedlung Nord sowie die Siedlung West. Im „III. Ausbau“ bis „VI. Ausbau“ entstand die Siedlung Süd. Laut einer Übersicht vom  26. November 1929 betrafen die Ausbaustufen IV bis VI folgende Gebiete:

IV. Ausbau   westlich und östlich der Goethestraße sowie am Friedhof
V. Ausbau  katholische Kirchengemeinde Hoyerswerda
VI. Ausbau  Goethestraße und Friedrich-Ebert-Straße“24BLHA Potsdam, Rep. 6C 30

Bereits für 1922 war auf den schon vorhandenen Tornoer Weg eingegangen worden, wo drei Adressen angegeben waren. 1925 hatte sich diese Zahl auf 16 erhöht. Die Bezeichnung Tornoer Weg bezog sich jedoch nicht allein auf die heutige Oststraße, wie ein Vergleich mit dem Einwohnerverzeichnis von 1929 ergab.

Am 11. Dezember 1926 berichtete der Kreisbaumeister des Kreises Calau über den Stand der von der Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk e.G.m.b.H. 1926 gebauten Häuser.

Die Wohnhausbauten der Eigenheimgenossenschaft Lautawerk aus dem Jahre 1926 sind von mir gestern besichtigt worden.
Zur Zeit stehen die Bauarbeiten wie folgt:
1 Haus = 2 Wohnungen     bezugsfertig
11 Häuser = 22 Wohnungen   sind gerichtet, zum Teil gedeckt
2 Häuser = 4 Wohnungen   sind aus dem Sockel heraus gemauert
1 Haus = 2 Wohnungen   im Ausschacht begriffen
insgesamt: 30 Wohnungen.“ 25BLHA Potsdam, Rep. 6C 30

Laut einem Schreiben der Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk e.G.m.b.H. vom 2. März 1927 wurde in diesem Jahr mit dem „VI. Ausbau“ in Lautawerk begonnen. 28 Personen wurden benannt, die in diesem Bauabschnitt als „Hausanwärter“ in Frage kamen. Gebaut werden sollte zugleich ein „Konsumhaus“ mit zwei weiteren darin befindlichen Wohnungen.26Vgl. ebenda.

Vom 22. September 1928 datiert eine Übersicht der Grunderwerbssteuerbescheinigungen für die Siedler des „VI. Ausbaus„. 28 Personen.27Vgl. ebenda.

Ebenfalls vom 22. September 1928 ist die Übersicht der Grunderwerbssteuerbescheinigungen für die Siedler des „V. Ausbaus„. Die Namen von 20 Personen werden genannt.28Vgl. ebenda.

Das Datum 6. Oktober 1928 trägt die Übersicht der Grunderwerbssteuerbescheinigungen für die Siedler des „IV. Ausbaus„. 18 Personen sind darin ausgeführt.29Vgl. ebenda.

Die noch 1925 allgemein unter Tornoer Weg angegebenen Grundstücke lassen sich 1929 nun in der Zwischenzeit geschaffenen und benannten Straßen zuordnen:
Pommernstraße (darin Nr. 17 – Theuner, Nr. 18 – Jurisch, Nr. 28 – Straube, Nr. 29 – Klitzing)
Schlesienstraße (darin Nr. 1 – Richter, Nr. 2 – Guhr, Nr. 12 – Frohne)
Westfalenstraße (darin Nr. 2 Zickmüller bzw. Zinkmüller).

Von besonderer Bedeutung ist der Bau mehrerer Häuser in westlicher Richtung. 1925 nur mit dem Begriff „Eigenheim“ benannte Objekte lassen sich 1929 unter den folgenden Straßennamen und Hausnummern verorten:

Von-der-Porten-Straße (heute: Schillerstraße):

Nr. 7 Lindner, Richard
Nr. 9 Bergemann, Oswald
Nr. 11 Ferner, Reinhold
Nr. 13 Heuschkel, Max
Nr. 14 Klein, Richard
Nr. 16 Buder, Gustav bzw. Hilbrich, Adolf und Bruno
Nr. 17 Levy, Friedrich
Nr. 18 Braun, Waldemar
Nr. 20 Hennig, Max
Nr. 21 Ponsek, Adolf
Nr. 22 Schneider, Max
Nr. 23 Krause, Friedrich
Nr. 24 Wuttke, Reinhold
Nr. 25 Sauer, Otto
Nr. 26 Gerber, Alfred und Karl
Nr. 27 Reimann, Otto
Nr. 28 Ponsek, Paul
Nr. 29 Arlt, Gustav
Nr. 30 Gloßmann, Otto
Nr. 31 Himmighofen, Oskar
Nr. 32 Mehnert, Karl
Nr. 34 Fichte, Bruno und Richard
Nr. 35 Hein, Herrmann
Nr. 36 Woelk, Otto
Nr. 38 Wunde, Joh.

Karl-Freter-Straße (heute: Friedrich-Engels-Straße)

Nr. 7 Zynnecker, Rud.
Nr. 9 Kania, Franz
Nr. 35 Schubert, Gerhard

Bei den anderen 1925 als im „Eigenheim“ wohnend aufgeführten Personen ist 1929 keine klare Zuordnung zu einer Adresse möglich. Es gab familiäre Veränderungen (Tod, Scheidung oder Wegzug) bzw. der Bau wurde aus Geldknappheit aufgegeben und von einem neuen Bauherrn übernommen.

Ungeachtet dessen kann man schon festellen: Die Entwicklung von Lauta-Süd vollzog sich in zwei Kernen, von denen der eine 1925 mit Friedrich-Engels-Straße und Schillerstraße benannt werden könnte und der andere mit Oststraße und einzelnen von ihr abgehenden Straßen.

Barackenstadt und Siedlung Lautawerk-Süd 1929

Zwischen 1925 und 1929 vollzog sich in Lautawerk-Süd, in dem Gebiet zwischen der heutigen Friedrich-Engels-Straße und der Bahnlinie, eine enorme Entwicklung.

Erkennbar ist, dass zahlreiche Baracken In der Barackenstadt sind zahlreiche Baracken mit der einfachen Nummerierung verschwunden, unter Straßenbezeichnungen und Hausnummern existieren sie aber weiter. Mehrere Arbeiterheime und Ledigenheime sind, neben den beiden großen Ledigenheimen in der heutigen Karl-Marx-Straße bzw. der heutigen Friedrich-Engels-Straße, zahlreicher vorzufinden.

Der Ausbau von Lautawerk-Süd vollzog sich bis 1929 vor allem entlang der heutigen Friedrich-Engels-Straße und den von ihr Richtung Süden abgehenden Nebenstraßen. Erste Häuser entstanden in der Waldstraße, der heutigen Karl-Liebknecht-Straße.

Langsam bildeten sich Familien-Dynastien als Stammbevölkerung von Lautawerk heraus, deren Namen bis heute fortbestehen. Teilweise sogar in den Häusern, die Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre von den Vorfahren gebaut wurden.

Träger der rasanten Entwicklung in Lautawerk-Süd waren die Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk e. G. m. b. H. zu Lautawerk, die Heimstätten e. G. m. b. H. Lautawerk, Kreis Calau (geführt von ihrem Vorsitzenden, dem Architekten Bruno Weinberg) und die an Zahl weiter zunehmenden Einwohner Lautawerks, die sich zum Bau eines Eigenheimes entschlossen.

1925 nahmen die Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk eGmbH und die Heimstätten-Genossenschaft eGmbH eine Hauszinssteuer-Hypothek für den Bau von 25 Wohnungen auf.

1926 hatte die Eigenheim-Genossenschaft Lautawerk eGmbH eine Hauszinssteuer-Hypothek aufgenommen, um 30 Wohnungen zu bauen. Diese sollten sowohl in Nord als auch in Süd entstehen. 1929 folgte eine weitere Hauszinssteuer-Hypothek. Diesmal für den Bau von 18 Einfamilienhäusern und einem Zweifamilienhaus. Wiederum in Nord und Süd. Weitere Aufnahmen von Hypotheken folgten, diesmal für kleinere Vorhaben:
1926/27 Drei Zweifamilienhäuser.
1927/29 Ein Vierfamilenhaus und zwei Einfamilienhäuser.

Barackenstadt 1929

Die Situation in der Barackenstadt sah 1929 wie folgt aus:

Nr. der Baracke Anzahl der Mietparteien bzw. Bewohner   Nr. der Baracke Anzahl der Mietparteien bzw. Bewohner
4 1 73 4
5 2 74 5
6 3 75 6
7 3 76 4
16 5 77 4
17 6 78 3
18 3 79 1
60 1 84 2
62 1 86 1
67 4 87 1
68 4 89 1
69 8 90 2
70 3 98 8
72 6 116 1

Die einstige Baracke 36, das Krankenhaus, war nunmehr unter der Adresse Krankenhausstraße 9 zu finden. Weiterhin neu hinzugekommen an Straßen waren in der Barackenstadt:
Akazienallee
Holzhausstraße
Kaufhausstraße
Lessingstraße
Pappelweg
Stöckelplatz.

Barackenstadt und Siedlung Lautawerk-Süd 1939

Ausschnitt aus „Lageplan der Vereinigten Aluminium Werke A.G. Lautawerk mit den Siedlungen Nord, Süd und West“, 1939.
Der im Maßstab 1:5000 gezeichnete Plan gibt vor allem das Aussehen der Aluminiumfabrik, der Tonerdefabrik und der anderen zum Werk gehörenden Anlagen, wie z. B. das Kraftwerk, weitgehend detailliert wieder. Die Darstellung der im Ort befindlichen Bauten erfolgt zumeist in schematischer Form.30BLHA Potsdam, Rep. 75 VAW Lauta K 461 A
®Geschichtsmanufaktur Potsdam, 03.04.2022

Zitatnachweise

  • 1
    Belli, Peter Josef: Das Lautawerk der Vereinigte Aluminiumwerk-Werke AG (VAW) von 1917 bis 1948. Ein Rüstungsbetrieb in regionalen, nationalen, internationalen und politischen Kontexten (zugleich ein Beitrag zur Industriegeschichte der Niederlausitz), Berlin 2012, S. 71
  • 2
    Ebenda, S. 74
  • 3
    Ebenda, S. 74 f.
  • 4
    Vgl. ebenda, S. 77 f.
  • 5
    Vgl. ebenda, S. 85
  • 6
    Ebenda, S. 91
  • 7
    Vgl. ebenda, S. 94 f. Belli beschreibt die Verwaltungszugehörigkeit der beiden Siedlungen anders herum.
  • 8
    Stadt Lautawerk. Vom Heidedorf zur Industriestadt. Ein Rückblick, Bautzen 1997, S. 39
  • 9
    Vgl. Belli, Peter-Josef, a. a. O., S. 96
  • 10
    BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573
  • 11
    BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573
  • 12
    BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573
  • 13
    Ebenda, S. 123 f.
  • 14
    Ebenda, S. 137 f.
  • 15
    BLHA Potsdam, Rep. 3 B I/Med 573
  • 16
    Ebenda.
  • 17
    Ebenda.
  • 18
    Ebenda.
  • 19
    BLHA Potsdam, Rep. 3 B 234
  • 20
    Einwohnerbuch der Städte und Ortschaften des Kreises Calau. Senftenberg, Calau, Lübbenau, Vetschau, Drebkau. 1922, Cottbus 1922
  • 21
    BLHA Potsdam, Rep. 6C 30
  • 22
    Ebenda.
  • 23
    Einwohnerbuch der Städte und Ortschaften des Kreises Calau. Senftenberg, Calau, Lübbenau, Vetschau, Drebkau. 1925, Cottbus 1925
  • 24
    BLHA Potsdam, Rep. 6C 30
  • 25
    BLHA Potsdam, Rep. 6C 30
  • 26
    Vgl. ebenda.
  • 27
    Vgl. ebenda.
  • 28
    Vgl. ebenda.
  • 29
    Vgl. ebenda.
  • 30
    BLHA Potsdam, Rep. 75 VAW Lauta K 461 A

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